Seelenkuss / Roman
immer einmal vom Erdboden, um Tage später wieder aufzutauchen. Nur war dies ein denkbar schlechter Zeitpunkt für seine Abtauchübungen. Dann hatte sie Mac angerufen und gefragt, ob das Verhör von Miru-kai irgendetwas ergeben hatte. Aber ihre Beharrlichkeit hin oder her: Die letzte Stunde stellte ihre erste Verschnaufpause von der Suche nach der Urne, Belenos und dem Dämon dar.
Und noch etwas war geschehen: Am frühen Nachmittag hatte Brent Hashimoto, der Anwalt, der augenscheinlich kein dämonenbesessener Idiot war, angerufen und ihr einen Vorschlag gemacht. Robertos Familie wollte die Ferien mit Eden verbringen, was bedeutete, dass sie die Sommer und Weihnachten in Spanien verbrachte. Im Gegenzug würden sie darauf verzichten, Ashes Mutterqualitäten in Frage zu stellen. Wie Hashimoto sagte, fürchteten sie vor allem, den Kontakt zu ihrem einzigen Enkelkind zu verlieren.
Was Ashe nachdenklich stimmte. Sie war durchaus der Ansicht, dass Eden die Beziehung zu ihren Großeltern aufrechterhalten sollte. Der heikle Punkt für sie war, wie immer, die Sicherheit. Solange sie hier mit ihren Forderungen konform gingen, würde sie mit sich reden lassen. Hashimoto war nicht auf den Kopf gefallen: Ihm war klar, dass er Ashe nicht mit Forderungen kommen durfte, weil sie dann gleich feindselig reagierte. Klüger war, an ihre Vernunft zu appellieren. Und die Bestätigung, dass Edens Wohl an vorderster Stelle stand, machte sie kooperativ.
Sollte es möglich sein, dass sich in ihrem Leben tatsächlich einmal etwas ohne offenen Kampf klären ließ? Allein der Gedanke hatte einiges für sich.
Eine Weile später war sie endlich so weit, dass sie den Schokoladenteig in die Papierförmchen füllen konnte. Der Eiervorrat hatte knapp gereicht. Ashes Stimmung war gut, denn nach den letzten paar Tagen nahm sich das Backen geradezu simpel aus. Hollys Zauber blubberte vor sich hin. Reynard sah deutlich wohler aus, und Eden war in Sicherheit.
Als er seine Astronomiestunde beendet hatte, kam Reynard zu ihr und lehnte sich an den Küchentresen. Sein Gesichtsausdruck erinnerte Ashe an eine streunende Katze, die fest mit einem Leckerbissen rechnete.
»Gefährlich geschickt mit dem Pflock, und sie kann auch noch kochen!«
»Mach dich nicht über die Frau lustig, die das Essen in der Hand hat!«
Er blickte von ihr zu der Schüssel, als könnte er sich nicht entscheiden, was leckerer war. Ashe wandte sich rasch ab, ehe sie noch rot wurde oder albern zu kichern begann. Auch toughe Frauen wurden bisweilen albern vor Erleichterung. Und der Gedanke an Reynards nackten Körper half ihr auch nicht unbedingt, sich zusammenzunehmen. Hätte man Lust in einen Teig rühren können, wären diese Muffins allein davon bis zur Decke aufgegangen.
Ashe nahm die Muffinformen, schob sie in den Ofen, stellte die Zeitschaltuhr ein und tunkte die schmutzige Schüssel ins Spülbecken, wo Holly abwusch. »Hier hast du noch was, Hol.«
Ihre Schwester streckte ihr schmunzelnd die Zunge heraus.
»Ach, Eden«, sagte Ashe, »wir wollen gleich essen. Kannst du bitte eine Pause machen und deine Bücher wegräumen?«
»Leg sie in mein Arbeitszimmer«, schlug Holly vor. »Falls du Computer spielen willst, musst du sicher erst den Kater vom Schreibtisch räumen. Er schläft gern auf allen Papieren.«
Eden stand auf, raffte ihre Bücher zusammen und trottete aus der Küche. Ashe blickte ihr nach. Sie fragte sich, ob ihre Tochter nach dem Erlebnis mit Belenos und dem Dunkelfeenprinzen wirklich so ruhig war oder nur noch nicht richtig begriffen hatte, was passiert war.
Das Telefon bimmelte, ehe Ashe weiter darüber nachdenken konnte. Sie nahm den schnurlosen Apparat auf. »Hallo?«
»Ich dachte mir, dass ich dich unter dieser Nummer erreiche.«
Belenos.
Sie kehrte den anderen den Rücken zu und ging ins Wohnzimmer, denn sie wollte nicht, dass jemand ihr Entsetzen bemerkte. Vom Fenster nebenan aus konnte sie auf die Straße sehen. Die Laternen gingen flackernd an, wie gelbe Lichtteiche vor dem dunkelblauen Himmel. Erst in einer halben Stunde würde es ganz dunkel sein.
»Schlafen nicht alle braven kleinen Vampire noch?« Sie senkte ihre Stimme und versuchte, bedrohlich zu klingen.
Kennt er die Adresse?
Das Haus war geschützt, aber sie mussten ab und zu vor die Tür.
»Ich bin weder brav noch klein. Wie dem auch sei, ich fand, es wären Glückwünsche zur Rettung deiner Tochter angebracht. Natürlich wäre es nicht so günstig für dich ausgegangen, hätte der
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