Seelenkuss / Roman
riskieren abzuwarten?
Sie hörte Holly, die mit Hausschuhen in die Küche geschlurft kam. »Was riecht hier so verbrannt?«
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21
A she lief über den Friedhof, während ein Teil von ihr mit der Frage beschäftigt war, wo sie an einem Montagabend zwei Dutzend Muffins auftrieb, denn sie war so von dem Anruf gebannt gewesen, dass sie die Zeitschaltuhr nicht hörte. Holly hatte zwei Bleche mit verkohlten Schokotalern aus dem Ofen gezogen, deren rosa Papierhüllen vor sich hin qualmten.
Wie lange hat Safeway auf?
Der Rest von ihr war auf Jagdmodus gestellt und lauschte aufmerksam in die Nacht. Von Süden kam das Rauschen des Ozeans, dessen träger Wellenschlag unten an den Klippen womöglich reichlich andere Geräusche verbarg. Ashe horchte genau hin und versuchte, das Rauschen sowie den Wind auszufiltern.
Belenos und gewiss auch seine Lakaien lauerten in der Nähe. Sie fühlte das Kribbeln von Vampiraura auf ihrer Haut.
Ashe war nicht allein gekommen. Reynard und die Hunde waren auf dem Friedhof ausgeschwärmt und bewachten sie. Dieser Gedanke nahm ihr ein wenig von der Spannung im Nacken. Einst wäre sie mit Freuden in eine Falle gewandert, nur um zu beweisen, dass sie wieder herauskam. Heute nicht mehr, denn sie hatte zu viel zu verlieren.
Heute war sie nicht bloß eine Jägerin, wie sie erkannt hatte, seit sie nach Fairview zurückgekehrt war. Doch erst in den letzten Tagen hatte sie diese Tatsache auch emotional begriffen. Hier drehte es sich nicht nur um einen überfüllten Terminkalender.
Sie war eine Mom mit Muffin-Problemen, eine Geliebte von jemandem, für den sie sorgen musste. Und sie hatte einen Job – zum Glück hatte die Bücherei morgens angerufen und gesagt, man verzieh ihr, dass sie einen Vampir auf dem Teppichboden verteilt hatte –, und sie war ein Familien- sowie ein Gemeindemitglied. Grandma hatte recht gehabt: Es war Zeit, dass sie sich den Rollen stellte, die ihr zufielen. Sie musste das Leben annehmen: mit einem Wäschekorb in der einen und einem Pflock in der anderen Hand.
Oder so ähnlich.
An der Metapher sollte sie noch arbeiten. Jedenfalls fühlte sie sich mit dem Chaos, das die Aufzählung ihrer diversen Jobs suggerierte, irgendwie vollständiger. Sie war nicht bloß eine gefährliche Waffe, sondern ein Mensch, der anderen etwas bedeutete.
Das verlieh ihr Kraft. Sie beschleunigte ihre Schritte. Es war eine wunderbare Nacht zum Jagen – vor allem, da sie hinter einem Vampir her war, der es gewagt hatte, ihre Tochter anzufassen.
Ihren Colt in einer Hand, folgte sie dem Weg, der um eine Baumgruppe herumführte, und näherte sich dem Grab ihrer Eltern. Hier war das Meeresrauschen lauter. Die Wellen krachten gegen die Felsen.
Ashe blieb stehen.
Belenos wartete schon auf sie. Anstelle eines Lichtballs hatte er diesmal eine lange Fackel dabei. Sie warf ein sanftes Licht auf drei große Zedern. Ashe fragte sich, ob er die Fackel aus der Burg mitgenommen hatte.
Indirekter Flammenschein fiel auf sein tizianrotes Haar, das stellenweise golden aufleuchtete. Er trug Reisekleidung: Windjacke, Twillhose und ein weiter Kaschmirpulli. Bei seinem Anblick gingen Ashes sämtliche Muskeln in Alarmbereitschaft. Er war schön, aber das war eine Kobra auch.
Im Geiste maß sie die Entfernung zwischen ihnen, wollte sie doch dringend einen großzügigen Abstand zwischen sich und seinen Reißzähnen einhalten.
»Danke, dass du gekommen bist«, sagte er. »Wie ich sehe, hast du deinen Wächter mitgebracht. Missfällt es ihm nicht, vom Rand aus zuzusehen?«
»Er weiß, dass es Dinge gibt, die eine Mutter tun muss.«
»Tja, ich brachte gleichfalls Freunde mit, die ihn und seine Hunde beschäftigen, solange wir plaudern.«
Ein Angstschauer rollte Ashe über den Rücken, obwohl sie sich einredete, dass sie nicht um Reynard besorgt sein müsste. Er hatte ihr hinlänglich bewiesen, dass er auf sich selbst achten konnte.
»Hast du vor, mich zu töten?«, fragte Belenos mit einer Stimme wie heißer Satin.
Sie spürte die Anziehung, wehrte sich jedoch dagegen. Dies war kein Traum, in dem sie sich leicht verführen ließ. »Sagen wir, ich will dir eine Lektion erteilen.«
»Ach ja?« Er zog etwas aus seiner Tasche.
»Keine schnellen Bewegungen, Blutsauger!« Ashe hob ihren Colt. »Silberkugeln. Die piken.« Ihr Tonfall deutete an, dass sie noch viel mehr taten.
Langsam hielt er ein Objekt in die Höhe. »Schokoladenhasen gefällig?«
Ashe sah ihn misstrauisch an. »Danke, ich bin momentan auf
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