Seelenkuss / Roman
links und rechts reckte: auf der Suche nach einem Fluchtweg.
Wieso hatte er solche Angst? Schließlich hatte sie ihn ja nicht vertrimmt oder so.
Er schwenkte riskant auf die linke Spur. Im nächsten Augenblick bog er ab und trat heftig in die Bremsen, ehe die Autos auf den drei Spuren in Richtung Süden seinen schönen Wagen zermatschen konnten. Ashe fluchte, wenn auch mehr der Form halber, und vollführte einen verbotenen U-Turn an der nächsten Lücke in der Mittelplanke.
»Verflucht noch eins!«, brüllte Reynard ihr ins Ohr.
»Krieg dich ein! Wir haben ihn gleich.«
Okay, das war vielleicht ein bisschen überoptimistisch. Bis Ashe die Ausfahrt erreichte, sah sie nur noch die BMW -Silhouette vor dem hellen Aprilhimmel. Bannerman bewegte sich gen Südosten auf einer der schmalen Straßen, die durch ein Gewirr von Hobbyfarmen nördlich Fairviews führten. Verloren sie ihn in dieser ländlichen Wildnis, würde die Spur sehr schnell kalt.
Zwischen ihr und Bannerman lag nichts als freies Feld, auf dem der Boden vom Winterregen in einen matschigen Sumpf verwandelt wurde. Die Traktoren hatten dicke Matsch- und Kiesschlieren auf der Straße hinterlassen, so dass Ashe langsamer fahren musste. Allerdings musste auch Bannerman das Tempo drosseln, damit sein teurer Wagen in den Schlaglöchern nicht aufsetzte. Der Anwalt fuhr sogar vorsichtiger als nötig, was Ashe nur recht sein konnte, denn so holte sie auf.
Der BMW fuhr über einen Hügelkamm und verschwand auf der anderen Seite. Ashe folgte ihm, schloss erst hinter Bannerman auf und war schließlich seitlich von ihm. Sie blickte hinüber und erkannte eine Mischung aus Zorn und Angst in seinen Augen.
Hügelabwärts riskierte sie, wieder zu beschleunigen, brachte ihre Ducati vor den Wagen und wich dabei den meisten Hindernissen aus, musste jedoch um Kontrolle über ihre Maschine ringen, als die Straße etwas zu holprig wurde. Eine halbe Meile weiter kam eine Weggabelung. Und exakt diese Distanz blieb Ashe, um Bannerman zu stoppen. Als sie eben genug Abstand gewonnen hatte, verlangsamte sie und drehte ihr Motorrad seitlich, womit sie beide Spuren blockierte. Eine Schmutzwolke stob um sie herum auf.
Reynard sprang von der Ducati und riss sich den Helm vom Kopf. Er sah aschfahl aus, trotzdem rannte er los, brachte sich zwischen Ashe und den heranpreschenden Wagen und zog im Laufen seine Smith & Wesson.
»Hey! Halt!«, schrie Ashe wenige Schritte hinter ihm.
Einen Moment lang glaubte sie, sie würden beide als Kühlerfiguren enden. Erst in letzter Sekunde trat Bannerman auf die Bremse und hielt schlitternd an.
Ashe stand vollkommen still da – teils, um keine Angst zu zeigen, teils aus Furcht, ihre Knie könnten einknicken, sollte sie sich rühren.
Die Beifahrertür flog auf, aus der Bannerman heraus- und in Richtung Highway stürmte.
Das ist ja wohl ein Witz!
Reynard legte seinen Helm auf der Ducati ab. »Wollen wir hingehen und Mr. Bannerman einen guten Morgen wünschen?«
Ashe war direkt hinter ihm. »O ja, darauf freue ich mich schon!«
Reynard holte ihn mit der Supergeschwindigkeit der Burgwachen ein, packte den Anwalt am Arm und zerrte ihn zurück, ehe dieser auch nur hundert Schritte gelaufen war. Er drückte ihn gegen den auf Hochglanz polierten BMW .
Trotz der kühlen Frühlingsluft schwitzte Bannerman so, dass ihm das Haar am Kopf klebte. Die Haut unterhalb seiner Augen sah aufgedunsen und dunkel aus. Er schien zehn Jahre gealtert, seit Ashe ihn vor wenigen Wochen kennengelernt hatte.
Offenbar bekam der Anwalt, was er verdiente.
»Haben Sie’s eilig, irgendwohin zu kommen?«, fragte sie.
»Lassen Sie mich los!«, raunzte er, auch wenn er sie flehend anblickte.
Was denkt der denn, was wir vorhaben?
Nicht dass ihr so vieles einfiele.
Ashe versuchte, sich vorzustellen, was Bannerman sah. Reynard und sie trugen beide schwarzes Leder, dunkle Jeans und Sonnenbrillen – die Action-Kluft eben. Wahrscheinlich wirkten sie wie Überbleibsel einer Heavy-Metal-Band.
Reynard nahm seine Hand vom Arm des Anwalts, blieb jedoch dicht genug vor ihm stehen, dass der Mann sich nicht bewegen konnte.
Ashe verschränkte ihre Arme, was in dem festen Leder gar nicht so einfach war. »Also, wie geht es dem guten Tony heute Morgen?«
»Fragen Sie mich nicht nach ihm! Ich kann nicht über ihn reden.«
»Ach ja, stimmt ja. Der Bann.«
Die Haut um Bannermans Augen bekam rote Sprenkel. »Es tut weh.«
Reynard nickte. »Manche Schweigezauber wirken mittels
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