Seelenkuss / Roman
Eingang des Einkaufszentrums.
»Was ist?«, fragte Ashe, die sofort stehen blieb.
»Meine Urne ist dort. Ich kann sie fühlen.« Tatsächlich wirkte er schlagartig sehr viel frischer, als hätte jemand ihm neue Batterien eingelegt.
»Super! Holen wir sie uns!« Ashe ergriff seine Hand und zog ihn mit sich in den Schatten der Tiefgarage.
Alessandro war schon aus seinem Wagen gestiegen, bis sie ihn erreichten. »Hi, Fangzahnknabe!«, begrüßte Ashe ihn.
Er stieß einen tadelnden Laut aus und klopfte ihr auf die Schulter. Unter seinem langen Ledermantel trug der Vampir ein Breitschwert, dessen Klinge hinreichend Silber enthielt, um für die meisten magischen Kreaturen tödlich zu sein.
Dabei waren Vampire ohnehin schnell mal tödlich, wenn man sie vor der Abenddämmerung aus dem Schlaf riss. Alessandro jedenfalls sah mürrisch und reizbar aus.
Holly stieg auf der Fahrerseite aus und gähnte. »Ich schätze, wir haben keine Zeit mehr für einen Kaffee, bevor wir die Stadt vor dem größten Übel retten, was?«
»Bedaure, nein«, antwortete Ashe. »Und der Kaffee, den sie hier verkaufen,
ist
das größte anzunehmende Übel.«
Dann stutzte sie und blickte von Alessandro zu Holly. »Hat er dich etwa seinen kostbaren Thunderbird fahren lassen?«
Holly warf dem Vampir einen Seitenblick zu, der ein kaum beigelegtes Wortgefecht andeutete. »Ich erlaube nicht, dass er tagsüber fährt. Alessandro mag wach aussehen, aber das täuscht mich nicht.«
Der Vampir verengte die Augen, doch Ashe konnte nicht einschätzen, ob er erbost oder schläfrig war. Sie reichte Holly Bannermans Akte. »Leg die in den Wagen. Das sind Dokumente mit den künftigen Adressen unseres Dämons.«
Unterdessen hatte Reynard sich dem Wagen genähert und berührte die glänzende rote Motorhaube mit seinen Fingerspitzen. Es bedurfte keines Einsteins, um seine Faszination zu erkennen. Auf Alessandros tiefes Knurren hin zog Reynard jedoch umgehend seine Hand zurück.
»Wie lautet der Plan?«, erkundigte Alessandro sich. »Ich habe einige andere Vampire alarmiert, die sich bei Tageslicht draußen bewegen können, sowie die Hunde- und Wolfsrudel. Sie stehen alle auf Abruf bereit.«
»Wir sind unterwegs dem menschlichen Sklaven des Dämons begegnet«, entgegnete Reynard. »Er steht unter einem Bann, seinem Meister zu dienen. Daher ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass der Dämon bereits vorgewarnt ist. Das Klügste wäre, die Lage einzuschätzen, ehe du deine Truppen hinzuholst.«
»Bannerman meinte, der Dämon wäre leicht zu finden«, ergänzte Ashe.
»Das kann nicht gut sein.« Holly schlug die Wagentür zu und sah die drei anderen an. »Ich meine, was zur Hölle stellt er gerade an?«
Ashe verzog das Gesicht. »Das werden wir rauskriegen müssen.«
»Aber wie sehen wir uns um, ohne uns zu verraten?«, fragte Alessandro.
Ashe zeigte zu einem Lieferanteneingang. »Dadurch kommen wir zum Hintereingang der Bücherei. Falls das Ding mit einem Angriff rechnet, dann wohl kaum von jemandem, der verpennt durch die Jugendabteilung schlurft.«
»Ich schlurfe nicht herum«, erwiderte der Vampir beleidigt.
Holly blickte zu ihrem Partner und unterdrückte ein Seufzen. »Los jetzt!«
Ashe lief voraus, gefolgt von Reynard, Holly und Caravelli. Die schwere Tür ächzte und klapperte, als Ashe sie aufzog, dass es durch die Garage hallte. Von hier stiegen sie eine schmale Treppe aus kahlem Estrich hinauf zur Hauptebene. Das Metallgelände war nackt bis auf ein paar Farbreste hier und dort, die zeigten, dass es einst in ansprechendem Industriegrün lackiert gewesen war. Die Schritte der vier donnerten und flüsterten in dem ungedämpften Treppenhaus – die schwereren der Männer, die leichteren der Frauen. Schließlich öffnete Ashe eine zweite Tür, die in einen Lieferantengang hinter den Geschäften führte. Auf den schlichten weißen Türen standen Nummern und rechts und links von ihnen Pappkartons, Kleiderständer und sonstiger Kram, der darauf wartete, abgeholt zu werden.
Sie alle rümpften die Nasen: Dämonengestank hing in der Luft.
Ashe wandte sich nach rechts. »Hier entlang!«
Der Korridor machte eine Biegung, und dahinter wären sie fast über einen spindeldürren jungen Mann gestolpert, der eine Zigarette rauchte. Hastig trat er sie aus.
»Ashe!«, stieß er hervor und klang wütend.
Ashe erstarrte. »Gary! Was ist?«
Es handelte sich um einen der Verkäufer in der Buchhandlung, der maßgeblich an den Streichen beteiligt war, die
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