Seelenkuss / Roman
eigene Art, einem die Stimmung zu verwürzen.
Ashe versuchte, sich alles ins Gedächtnis zu rufen, was sie über Dämonen wusste. Es gab so viele verschiedene, dass der Terminus »Dämon« in etwa so genau war wie »Käfer«. Manche wurden als Dämonen geboren. Ein Höllenhund etwa stellte eine Art Halbdämon dar. Geborene Dämonen waren oft halbwegs bei Trost und hielten sich an das Gesetz. Andere glichen Parasiten, die ihre menschlichen Wirte infizierten. Die meisten dieser Dämonen waren sehr mächtig, definitiv übel und zum Glück außerdem rar gesät.
Ashe hatte einige schwächere Dämonen getötet, aber noch keinen, der größer als eine Brotdose gewesen war. Die großen Kerle mussten verbannt werden, und das wiederum erforderte magische Kräfte. Die Carver-Hexen hatten genau zwei Mal solche Bannzauber gewirkt. Beide Male war es derselbe Seelenfresserdämon gewesen, mit dem sie es aufnahmen. Ashes Vorfahrin Elaine Carver war gestorben, als sie ihn erstmals aus Fairview vertrieb. Beim zweiten Mal hatte Holly den Dämon vernichtet und das Tor zur Burg geöffnet. Ashe war bei der Schlacht nicht dabei gewesen, hatte jedoch gehört, dass es eine gehörige Portion Magie gebraucht hatte, die aus einer Verknüpfung mit den Ley-Linien zustande kam. Holly hatte die Linienmagie angezapft und in die Schlacht geleitet. Aber wenn sie in dem Bereich damals wie aus einem reichen Ozean schöpfen konnten, dürfte das Einkaufszentrum eher einem Rinnsal entsprechen. Außerdem erholten Hollys Kräfte sich erst von den Nachwirkungen der Geburt. Sie durften nicht auf einen größeren Magieschub zählen. Das Beste, worauf sie hoffen konnten, war ungefähr eine Planschbeckenfüllung. Oder eine Salatschüssel voll. Oder ein Butternapf. Selbst wenn ein Sammlerdämon keinen so heftigen Brocken darstellte wie der Seelenfresser – wie zum Geier sollten sie ihn loswerden?
Sie hielten an einer roten Ampel. Rein zufällig sah Ashe zur selben Zeit nach unten, als Reynard ihr an die Schulter tippte und auf den brandneuen 5er- BMW zeigte, der neben ihnen stand. Ashe erkannte den Fahrer sofort.
Bannerman.
Eine Woge von Abscheu überrollte sie. War er wieder einmal dabei, Geschäfte für Tony abzuschließen? Suchten sie die Vorhänge für noch mehr Dämonenverstecke aus?
In diesem Moment blickte der Anwalt auf. Sogar durch die getönten Wagenfenster konnte Ashe sehen, dass er blass wurde. Seine Miene verriet ihr, dass er panische Angst vor ihr hatte. Befriedigend … Ja, sie hatte ihn ein bisschen hart angefasst, aber nicht genug, um die plötzlichen Tränen in seinen Augen zu erklären. Die machten sie schlicht neugierig. War irgendetwas passiert?
Auf einmal scherte der BMW aus der Spur und in die Ausfahrt rechts zum Highway. Ein Ausweichmanöver wie aus dem Bilderbuch, das Ashes Neugier noch steigerte. Wusste Bannerman, dass ihr bekannt war, dass er den Heckenschützen auf sie angesetzt hatte?
Im selben Augenblick, in dem er beschleunigte, schaltete die Ampel um. Ashe überquerte zwei Fahrspuren, bevor die anderen Fahrer reagieren konnten. Blitzschnell war sie hinter dem Anwalt. Reynard stieß einen Triumphschrei aus, als die Ducati mit einem Knurren beschleunigte.
Der riesige BMW hatte einige Pferdestärken unter der Haube und Bannerman Vorsprung. Sie rasten eine vierspurige Straße entlang, die zu den Fähren führte. Ashe war vorsichtig beim Rangieren zwischen den anderen Wagen, zumal sie in Begleitung war, aber bald schon hatte sie es an einem Pick-up vorbei geschafft und bessere Sicht auf Bannermans Wagen. Der Pick-up hupte, was nicht mehr als ein Hintergrundgeräusch für Ashe war. Sie hatte das Röhren ihrer Maschine im Ohr, spürte die Vibrationen zwischen ihren Schenkeln und einen heißen, glücklichen Mann, der sich an ihren Rücken presste. Ihr kam es vor, als würde ihr das Herz im Hals schlagen, und das mit der Ungeduld eines Pferdes, das sich gegen seine Trense wehrte.
Bannerman war zwei Wagen vor ihnen und im Begriff, einen dritten zu überholen. Sie fuhren unter einer Überführung hindurch, in deren Schatten kalter Wind in Ashes Gesicht blies. Der BMW wechselte die Spur und gab Gas. Gleichzeitig lenkte Ashe die Ducati in den Freiraum zwischen zwei Spuren und beschleunigte. Sie fühlte, wie Reynards Hände sich fester um ihre Taille legten.
Binnen zwanzig Sekunden war sie nur noch eine Wagenlänge von ihrem Zielobjekt entfernt. Sie sah, wie Bannerman in den Rückspiegel blickte, das Gesicht verzog und seinen Kopf nach
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