Seelenkuss / Roman
Schalten Sie mal Ihr Gehirn ein! Sie haben eben erst zugegeben, dass Sie uns brauchen.«
Reynard blickte erstaunlich unbeeindruckt über die Ränder seiner Sonnenbrille. »Möchtest du, dass ich ihm den Kopf wegpuste, meine Liebe?«, fragte er gleichmütig, spannte allerdings seine Finger fester um die Smith & Wesson.
Ashe legte eine Hand auf seinen Arm und ermahnte sich, ihre Wut zu zügeln. »Auch wenn ich es ungern zugebe, aber er stand unter einem Bannzauber.«
»Ja!« Bannerman nickte eifrig. »Ich bin für nix verantwortlich!«
»Mit Ausnahme von Gier und Dummheit«, erwiderte Reynard frostig und hob gelassen seine Waffe, als hätte er nicht die geringsten Skrupel abzudrücken.
»Nein!«, wehrte Bannerman ab, der sich verängstigt an seinen Wagen klammerte. »O Gott, nein, ich flehe Sie an!«
Reynard wandte sich wieder zu Ashe. »Es ist deine Entscheidung. Bis der Dämon nicht verbannt wurde, stellt er eine Bedrohung dar.«
Ashe biss die Zähne zusammen. Es war verlockend, Reynard einfach abdrücken zu lassen. Klar, sauber, schnell und endgültig. Aber ungesetzlich. Bannerman war kein Monster, sondern die Marionette eines Dämons. Wurden sie Tony los, würde der Anwalt gewiss wieder zu dem gewöhnlichen Abschaum anstelle des mörderischen, der Profikiller anheuert. Diesen Rettungsring sollte sie ihm zuwerfen, wenn schon nicht um seinetwillen, dann für die Familie, die sie auf dem Foto in seinem Büro gesehen hatte.
»Lass ihn leben!«, befahl sie mit unverhohlenem Bedauern.
Reynard nahm die Waffe herunter und machte einen Schritt zurück, wobei er den Anwalt voller Verachtung ansah. »Ich würde sagen, dann sind wir hier fertig.«
Bannerman saß so schnell in seinem Wagen, wie es sterbliche Gliedmaßen erlaubten. Der Motor sprang mit einem edlen Schnurren an.
Ashe pochte an das Fahrerfenster, das Bannerman nur einen Spalt weit herunterrollte. »Was ist?«
»Wo im Einkaufszentrum steckt er?«
Er starrte sie entgeistert an. »Oh, Sie finden ihn.«
Ashe sprang zurück, bevor er ihr über die Füße fuhr, und Reynard fing sie ab, eine Hand auf ihrem Rücken. »Ich habe den Eindruck, dass er unser Wohlwollen nicht zu würdigen weiß.«
Ashe schlug wieder die Akte auf. Darin entdeckten sie offizielle Dokumente sowie Ausdrucke aus dem Internet, die Lagerhäuser, Geschäfte und sogar ein Auktionshaus zeigten. »Wir müssen Tony aufhalten, ehe Bannerman auf die Maklerverbandsliste stößt. Irgendwie tut mir der Typ fast leid. Er ist ein bisschen wie jemand mit Renfield-Syndrom.«
Sie klappte die Akte zu und schob sie in ihre Jacke.
»Die meisten Dämonen beginnen als menschliche Diener und suchen sich später ebensolche«, erläuterte Reynard. »Ein Grund mehr, diesen Dämon zur Strecke zu bringen. Wir wollen nicht, dass er sich mehr Freunde macht. Dämonen sind wie eine Epidemie, die nur darauf wartet, um sich zu greifen.«
Womit er einen von Ashes irrationalen Angstträumen beschrieb: eine Welt, in der Dämonen langsam alle Menschen um sie herum infizierten. Familien, Städte, ganze Länder, die ihrer unersättlichen Gier zum Opfer fielen. Sie ertrug den Gedanken nicht, dass solche paranoiden Phantasien wahr werden könnten. »Wenn sie eine Epidemie sind, bin ich eine große Flasche Antiseptikum.«
Sie holte ihr Handy hervor und wählte.
Reynard sah sie verwundert an. »Wen rufst du an?«
»Die Polizei. Mir ist wurscht, wie gut Bannermans Partner ihn abschirmen. Diese Akte ist ein klarer Beweis, dass er Immobilien an einen Dämon verkauft hat. Das gibt fünf bis zehn Jahre, wenn er verknackt wird. Und selbst wenn nicht, sollte es ihn lange genug auf Eis legen, dass wir diesen Schlamassel in Ruhe aufräumen können.«
»Wie überaus listig von dir!«
»Du hast doch nicht geglaubt, dass ich ihn einfach vom Haken lasse, oder?«
Sie blickte zu Reynard hinüber. Nun, da Bannerman fort war, wirkte sein Gesicht eingefallener. Die Auseinandersetzung hatte ihn reichlich Kraft gekostet. Was immer Grandmas und Hollys Magie ihm an Gnadenfrist verschafft hatte: Sie lief allmählich aus.
Sie brauchten zwanzig Minuten bis zum Einkaufszentrum. Als sie gerade von der Ducati stiegen, bog ein roter T-Bird auf den Parkplatz und steuerte auf das untere Parkdeck zu.
»Das sind Holly und Alessandro«, verkündete Ashe, die eilig in Richtung Parkhauseingang lief. »Komm, wir holen sie ein!«
Sie begannen zu laufen. Plötzlich aber wurde Reynard langsamer, nahm seine Sonnenbrille ab und schaute suchend zum
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