Seelenkuss / Roman
Mensch.«
»Schade.«
»Das ist Ihre Meinung.«
Wie in Zeitlupe steckte er seine Brieftasche wieder ein. Zu langsam. Er schindete Zeit. »Sie riechen nach Hexe.«
»Damit ich dich besser verzaubern kann, Blutsauger«, murmelte sie leise.
»Sie müssen Ashe Carver sein.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
Er warf ihr einen Schlafzimmerblick zu. »Ich bin auf der Suche nach Ihnen.«
Der Schreck durchfuhr sie wie ein elektrischer Schlag, aber sie lehnte sich über den Tisch und flüsterte beinahe: »Was ist? Habe ich Ihren Busenfreund gepfählt?«
Lloyd bedachte sie mit einem Amorschmunzeln. Dem eines bösen, perversen Amor. Auch er senkte seine Stimme und neigte sich weiter vor, so dass ihre Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt waren. »Es geht das Gerücht, dass eine Carver-Hexe gerade ein Vampirkind zur Welt gebracht hat – wider die Natur. Manche nennen es eine Abscheulichkeit, andere finden es … interessant.«
Ashe erstarrte. Sie fühlte seinen kalten Atem auf ihrer Wange.
Abscheulichkeit?
Das hatte der Vampir im Botanischen Garten zu ihr gesagt. Rasch sah sie zu Gina. Die stand mit offenem Mund da, den Buchscanner in einer Hand, und glotzte den Vampir an. Mrs. Fanhope und ein ungepflegtes Mädchen im Studentenalter standen vor dem Tresen und betrachteten die Szene mit einem Ausdruck, der irgendwo zwischen entsetzt und fasziniert siedelte.
Klasse! Die denken, wir flirten ernsthaft. Wieder einmal versorgt der Name Carver die Klatschspalten.
»Das war ich nicht«, sagte Ashe leise. »Ich stehe nicht auf Tote.«
Lloyds Augenbrauen zogen sich zusammen. »Mich interessiert nicht, worauf Sie stehen.«
»Und was dann?«
»Mein König will ein eigenes Kind. Ihre Familie besitzt die richtigen Kräfte, um ihm einen Erben zu schenken. Unsere Quellen sagen, dass Sie ungebunden sind. Nicht dass es den König kümmert, aber wer mag schon einen Jonathan-Harker-Typen, der einem den Arsch pfählt?«
Uärgs.
Ashe sprang vom Tresen zurück und ließ Lloyd das Holzlineal in ihrer Hand sehen. »Hat man Ihnen auch erzählt, dass ich bei miesen Dates höllisch ungemütlich werden kann?«, fragte sie sehr laut. Öffentliche Bloßstellung stellte bisweilen eine nützliche Waffe dar.
»Wow!«, machte Gina, die aussah, als fehlten ihr zu ihrem Glück nur noch Popcorn und Cola. Alle drei, sogar Mrs. Fanhope, waren restlos fasziniert.
Der Vampir grinste matt und blickte spöttisch zu dem Lineal. Offenbar störte ihn Publicity nicht. »Sie stehen in dem Ruf, eine gefährliche Frau zu sein. Deshalb schickt mein Gebieter einen Boten vor.«
»Kluger Mann.«
»Ich bin hier, um die Verhandlungen einzuleiten. Hören Sie sich sein Angebot an?«
»Verschwinden Sie, Lloyd! Sie sind nicht gekommen, um Bücher zu leihen, und wir schließen jetzt.«
»Ich denke, wir sollten alle noch bleiben und ein bisschen plaudern«, schlug er ruhig vor. Dann warf er den anderen ein Lächeln zu, bei dem er seine Zähne präsentierte. Die Studentin quiekte und umklammerte ihren Rucksack wie einen Teddybären. Angst breitete sich auf Ginas hübschem Gesicht aus.
Ashe blickte zum Ausgang. Im Einkaufszentrum herrschte noch reger Betrieb.
Reichlich potenzielle Opfer.
Und nichts als ein Lineal zwischen einem Vampir und Ashes Genpool.
Bitte, das darf doch nicht wahr sein!
Sie schritt um den Tresen herum, achtete allerdings auf ein möglichst breites Teppichstück zwischen sich und Lloyd. »Hören Sie«, begann sie bemüht ruhig.
Göttin, war das bescheuert!
»Selbst wenn ich wollte, könnte ich Ihrem König nicht helfen.«
Lloyd lehnte sich lässig an den Tresen. »Und warum nicht?«
»Ich verfüge nicht über die Macht, ein Baby von einem Vampir zu bekommen. Sie ist extrem selten, und ich besitze überhaupt kaum Magie. Also richten Sie seiner Bisshoheit aus, dass er anderswo seinen Schuss probieren kann. Ich bin ihm keine Hilfe.«
Ihr Publikum war stumm und starr. Ashes Schamschwelle saß reichlich hoch, doch nun merkte sie, dass sie rot wurde.
Lloyd kräuselte die Oberlippe. Bei seiner hübschen Visage wirkte das hämische Grinsen wie die Pose eines Unterwäschemodels. »Und Sie glauben, ich würde mit leeren Händen zu meinem König zurückkehren?«
»Im Drugstore können Sie Andenken kaufen. Bringen Sie ihm einen Schlüsselanhänger mit.«
Er lachte leise und selbstzufrieden. »Eher nicht.«
Nachdem er Ashe verlassen hatte, war Reynard durch ein Portal in die Burg zurückgegangen, um Mac auf den neuesten Stand zu bringen,
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