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Seelenkuss / Roman

Seelenkuss / Roman

Titel: Seelenkuss / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
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und dann konnte er sich nicht von Macs Befragungen loseisen. Bisher war keiner der Gefangenen, die Mac zum Waldtor oder dem Diebstahl befragte, in der Lage, irgendwelche brauchbaren Informationen zu präsentieren, ausgenommen eine: Vorletzte Nacht hatte der angeheiratete Cousin eines Kobolds gegen Bezahlung den Phouka freigelassen. Die anderen Kobolde waren derart aufgebracht, dass ein Verräter in ihrer Mitte weilte, dass sie ihm den Kopf abgerissen hatten, ehe Mac herausbekommen konnte, wer ihn bestochen hatte. So viel zur Befragung dieser Art Zeugen. Niemand war danach klüger, was die Hintermänner betraf.
    Mac hatte vor Wut seine Faust durch den Tisch des Befragungsraumes getrieben und dann versehentlich das restliche Mobiliar in Brand gesetzt.
    So interessant all das auch war, Reynard vergeudete seine Zeit, indem er Mac bei dessen Arbeit zusah. Dennoch verharrte er. Nicht zuletzt weil er erproben wollte, wie bald sich bemerkbar machen würde, dass er in der Burg war, seine Urne indessen irgendwo in der Außenwelt. Die Antwort: innerhalb von drei Stunden. Soweit Reynard es beurteilen konnte, hieß das, dass er noch in verhältnismäßig guter Verfassung war.
    Der Nachmittag war bereits zur Hälfte herum, als er wieder in das Einkaufszentrum zurückging, um den ersten Teil seiner Mission zu erfüllen: sich eine wirksame Verkleidung zulegen. Er sah die Notwendigkeit durchaus ein, aber er hasste es, sich von seiner Uniform zu trennen. Nach so langer Zeit war sie ein Teil von ihm geworden.
    Reynard hatte keinerlei Mühe, den Laden wie auch Ashes Freundin Leslie zu finden. Sie war überaus versiert darin, ihm eine Auswahl an zeitgemäßer Garderobe zusammenzustellen. Vieles davon erkannte er wieder, denn die jüngeren Wachen trugen das Gleiche: geschnürte Stiefel und Blue-Jeans. Keine Kleidung für einen Gentleman, allerdings robust, passend und bequem. Sie würde ihrem Zweck gerecht werden.
    Ein solches Geschenk hätte Reynard von niemand anders angenommen. Und er würde Ashe alles zurückzahlen, was sie für ihn auslegte. Vor allem aber gefiel es ihm besser, als ihm lieb war, diese Kleidung von ihr anzunehmen. Immerhin handelte es sich um ein Geschenk, das er nun unmittelbar auf seiner Haut trug.
    Derlei Gedanken hätte er lieber nicht hegen sollen. Pflicht, Würde und Tod, so lautete das Credo der Wächter. Falls Reynard Hunderte Jahre und Meilen von zu Hause entfernt starb, wollte er ein ehrbares Ende, mit dem Schwert in der Hand.
    Er musste sich an sein Credo erinnern, wenn er das nächste Mal die geschmeidige sonnengebräunte Gestalt Ashe Carvers betrachtete. Fast hätte er hämisch geschnaubt. Auch wenn er noch nicht ganz verschrumpelte und starb, würde seine Selbstbeherrschung binnen weniger Stunden außerhalb der Burg gefährlich nachlassen. Was nicht bedeutete, dass er seiner Pflicht entkommen konnte. Sein Leben, so wie es war, gehörte seinem Fluch.
    Doch als er mit den schmeichelhaften Verkäuferinnen bei ›Workrite‹ zusammenstand, schien die Burg weit weg. In Gegenwart dieser jungen Damen fiel ihm wieder ein, wie es sich angefühlt hatte, als begehrenswerter Mann angesehen zu werden, und das wiederum weckte Träume von der blonden Jägerin.
    Die elastischen Hemden, welche die Verkäuferinnen ihm brachten, kamen ihm zu eng vor – wohingegen sie alle beteuerten, dass sie genau richtig waren. Reynard war kein Idiot. Diese Hemden betonten seine Brust und seine Schultern. Nun, wer wäre er, zu widersprechen? Zumal er nach all der Zeit so viel Aufmerksamkeit genoss. Beinahe empfand er es als bedauerlich, das enge Hemd mit der kurzen Lederjacke zu verhüllen, die Leslie ihm brachte.
    Eines noch. Er löste sein Haar aus dem engen Zopf, der in seinen Tagen auf dieser Welt modern gewesen war, und ließ es offen in schulterlangen Wellen fallen.
Nein, so wäre es bei einem Kampf im Weg.
Er band es zu einem schlichten Pferdeschwanz, wie er ihn bei einigen modernen Männern gesehen hatte.
Alsdann, ich bin vollständig verändert!
Zum Schluss setzte er die Sonnenbrille wieder auf.
    Er verließ den Laden und wanderte durch das Einkaufszentrum. Es war ein seltsames Gebäude: dunkel genug, dass es unterirdisch hätte sein können, und unendlich lang, ohne Fenster, ganz ähnlich der Burg.
    Das erste Mal, das er durch ein Portal hergekommen war, traf er wenige Momente vor Ashe ein. Nun machte er sich in Ruhe mit der Lage der Ausgänge, der Flure und der blinden Ecken vertraut, die er kennen musste, sollte er –

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