Seelenkuss / Roman
brauchen andere Kleidung. In dieser fallen Sie zu sehr auf.«
Das nahm er offenbar als Affront. »Wie ich Mac bereits erklärte, ist dies meine Uniform.«
Demnach hatte Mac sich an dem Thema auch schon die Zähne ausgebissen. Schade! »Trotzdem erregen Sie in diesem Aufzug zu viel Aufsehen. Sie wollten meinen Rat, das ist er.«
Erneut runzelte er die Stirn und sah sehr nach Mr. Darcy aus.
»Seien Sie nicht bockig!«, ermahnte Ashe ihn mit ihrer Mom-Stimme.
Und siehe da, es wirkte! Er hatte eine ganze Menge Stolz zu schlucken, doch er tat es. Gut für ihn.
Die Kontrolle zu übernehmen war beruhigend. »Na schön. Es gibt ein Geschäft im Einkaufszentrum, das ›Workrite‹ heißt. Fragen Sie nach Leslie. Sagen Sie ihr, ich hätte Sie geschickt und Sie brauchten Kleidung für ein paar Tage. Richten Sie Leslie aus, dass ich später vorbeikomme und alles bezahle.«
An dieser Stelle wurde es ihm wohl doch zu viel. »Ich kann unmöglich …«
»Sie können, und Leslie ist diskret.« Noch dazu war Leslie sehr lesbisch, was Ashe in diesem Fall begrüßte, und sie würde Ashe Rabatt gewähren. »Das ist das mindeste, was ich für Sie tun kann.«
Eine winzige Kleinigkeit, genau genommen. Nicht annähernd genug, aber wenigstens war es etwas. Und das Beste daran war, dass sie Zeit zum Nachdenken gewann, indem sie Reynard erst einmal wegschickte.
Er betrachtete sie nachdenklich, dann nickte er. »Ich zahle es Ihnen zurück, mein Ehrenwort.«
Alles höchst anständig, wie es sich für einen Gentleman gehörte. Zugleich aber bemerkte sie eine Mischung aus Sehnsucht und Widerwillen in seinen wolkengrauen Augen und eine kaum merkliche Veränderung der mörderischen Lippen. Da war wieder der Ungezähmte, der sich fragte, ob er willkommen war.
Ashe stand auf, denn sie brauchte Abstand. »Kommen Sie später vorbei und erzählen Sie mir, ob alles geklappt hat!«
Er erhob sich ebenfalls, worauf er in dem kleinen Raum so nahe war, dass sie seine Körperwärme spürte. »Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung«, sagte er leise.
Ja, in meinen Träumen!
[home]
7
D er Nachmittag brachte neue Komplikationen mit sich.
Ashe hatte einen Großteil des Tages, den sie nicht mit Anwälten oder Kindern beschäftigt war, mit Telefonaten und in ihren Lieblingslokalen verbracht, um Klatsch aufzuschnappen. Wenn Killer-Vampire und Schleimdämonen unterwegs waren, musste doch jemand etwas mitbekommen haben.
Leute anzurufen und um einen Gefallen zu bitten brachte natürlich das Problem mit sich, dass sie ihn eines Tages zurückforderten. Besonders heikel wurde es, wenn es sich bei ihnen um die eigene Schwester handelte, die eben Mutter geworden war und nebenher Teilzeitstudentin sowie Geschäftsführerin des Familienunternehmens, das Geistervertreibungen anbot.
»Ashe, ich flehe dich an!«, beschwor Holly sie und klang wie ausgekotzt und wieder aufgewärmt. »Meine Magie ist von den Babyhormonen noch komplett durcheinander, und ich muss eine Hausarbeit fertigschreiben. Nicht zu vergessen, dass ich seit Tagen nicht geschlafen habe. Alessandro ist ein toller Daddy, aber er muss auch arbeiten, und tagsüber ist er keine große Hilfe.«
Ashe linste durch die Pausenraumtür zu der Schlange vor dem Tresen. Die Bücherei schloss bald, und der frühabendliche Ansturm war in vollem Gange. Gina kam recht gut klar, dennoch war es ungünstig, dass Ashe ausgerechnet jetzt telefonierte. Klebrige Süße stieg aus der zerknüllten Muffin-Tüte auf dem Tisch, von der Ashe ein bisschen übel wurde.
Sie hatte Reynard längst wieder von ›Workrite‹ zurückerwartet. Wo steckte er?
Plötzlich wurde Ashe bewusst, dass ihre Gedanken abschweiften und Holly am anderen Ende auf eine Antwort wartete.
Ein klares Nein zu allen weiteren Krisen!
»Tut mir ehrlich leid, Holly, aber ich treffe morgen Nachmittag den Anwalt meiner Schwiegereltern, und es ist richtig schwierig gewesen, einen Termin für samstags zu bekommen. Ich muss ihnen vorführen, dass ich eine geeignete Mutter bin, und das dürfte wenig überzeugend sein, wenn ich mit Ektoplasma vollgeschmiert bin.«
»Es ist bloß ein
kleiner
Geist, rein und raus, versprochen! Eine Stunde maximal. Ich gebe dir alles mit, was du brauchst. Du musst nur nachgucken, wo er steckt, und falls nötig die Talismane aufstellen.«
Holly und ihre Großmutter hatten sich ein paar vorgefertigte Zauber ausgedacht, die sogar Ashe mit ihrer begrenzten Magie aktivieren konnte. Eine Art Hexengranaten. »Holly, ich habe derart
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