Seelenkuss / Roman
eigentlich nicht fair war. »Ich bin immun gegen ihren Biss. Einer der Vorzüge meines Berufes.«
Ashe zog die Brauen hoch. »Zum Glück, schätze ich.«
»Sind Sie verletzt?«, erkundigte er sich.
»Nein, mir geht’s gut. Er wollte mich als Geschenk an seinen König.«
Ihre Augen waren reinstes Grün, so strahlend, dass sie Reynard an Sonnenlicht erinnerten, das durch ein Kathedralenfenster schien. Sie anzusehen, erfüllte ihn mit derselben Ehrfurcht.
Erst jetzt fiel ihm wieder ein, was die guten Sitten geboten, und er streckte ihr seinen unversehrten Arm hin. Sie ergriff seine Hand und ließ sich von ihm nach oben ziehen. Durch ihre miteinander verbundenen Handflächen konnte er ihre Stärke sowie die Biegsamkeit ihrer Muskeln und Gelenke fühlen. Prompt wandelte das Bissgift sich von Eis in Hitze, die eine Wärme in ihm ausstrahlte wie guter Brandy.
Ashe sah auf sein enges Hemd.
Er wollte sie küssen. Zugleich war er ein bisschen benommen, als hätte er zu viel guten Brandy getrunken. Nun, zugegeben, er war vielleicht nicht ganz so immun gegen das Gift, wie er meinte. Oder die Tatsache, dass er sich außerhalb der Burg aufhielt, hatte seine Widerstandskräfte gemindert. So oder so hatte er genug davon, den Heiligen zu spielen.
»Ich würde sagen, wir könnten die Situation hübsch zusammenfassen«, sagte er mit einem, wie er hoffte, charmanten Lächeln. »Während wir uns einig waren, dass ich Ihre Hilfe benötige, ergab sich, dass Sie hier einige eigene Schwierigkeiten haben.«
Er nahm seine Sonnenbrille ab und bemühte sich, den stechenden Schmerz zu ignorieren, den ihm das grelle Licht bescherte.
Ashe beäugte ihn misstrauisch, was ihre beachtlichen Augen noch katzenartiger wirken ließ. »Was meinen Sie?«
»Ich meine, dass Sie meiner Hilfe ebenso sehr bedürfen wie ich Ihrer. Folglich sollte ich Ihr Gefährte sein, solange ich hier bin. Wir arbeiten gut zusammen.«
Bevor sie antworten konnte, umfasste er ihre Taille und zog sie an sich. Ein riskanter Schachzug, sollte sie widersprechen. Stattdessen wurde sie ganz weich. Ihr Leib schmiegte sich an seinen, Schenkel an Schenkel, Hüfte an Hüfte. Ihr Atem wehte in kurzen seichten Stößen über sein Gesicht. Sie war erschrocken, wehrte sich jedoch nicht.
»Da verrottet ein Vampir auf dem Fußboden«, sagte sie angeekelt.
»Das tun sie dauernd, wenn Sie in der Nähe sind, nicht wahr?« Er nahm eine Handvoll ihres Haars auf und ließ es zwischen seinen Fingern hindurchfließen. Es fühlte sich wie glatte weiche Seide an. Dazu hatte es die Farbe von Birkenblättern, bevor sie abfallen, so golden wie destilliertes Herbstlicht.
O Gott, wie verlockend sie ist!
Dann, völlig unerwartet und deswegen umso beachtlicher, lagen ihre Lippen auf seinen, sanft, aber fordernd. Ashe küsste mit unverhohlener Begierde, verbarg nichts. Und weil sie nicht zögerte, konnte er es auch nicht. Der Drang, ihr zu entsprechen, sie zu übertrumpfen, Kraft um Kraft, war zu mächtig.
Er neckte erst ihre Unter-, dann ihre Oberlippe mit seiner Zunge. Sie schmeckte nach Frau, warm und erdig.
Reynard hatte das Gefühl, er würde von innen nach außen zerbröseln, als wäre er bald Staub, genau wie der Vampir. Es war so schwer gewesen, sich über die Jahrhunderte zu beherrschen, jegliche Sinnlichkeit aufzugeben, hatte sich wie Selbstmord angefühlt. Wie Fliegen. Wie Frieden.
Keine Selbstbeherrschung könnte das überleben. Dies ist der Himmel. Kein Wunder, dass Vampirgift süchtig macht!
Ashe umfing sein Gesicht mit beiden Händen, hielt ihn fest, als wollte sie nichts von dem vergeuden, was sein Mund ihr zu bieten hatte. Derweil waren seine Hände an ihren Rippen, bewegten sich von ihrem schmalen Brustkorb hinab zu ihren feminin gewölbten Hüften. Er streifte die bloße Haut, die unter ihrer Bluse hervorlugte. Sie war heiß, samtig, nachgebend. Sogleich glitt seine Hand auf diese Seidenhaut. Er streichelte sie, überspannte den Bereich über ihrem unteren Rücken bis hin zu ihrem Steißbein mit seiner gespreizten Hand. Ihr Stöhnen bebte durch seinen Leib wie das Schnurren einer Katze.
Tief in seinem Bauch regte sich ein Empfinden, herrlich, schmerzlich heiß, wie er es längst vergessen hatte. Ein Jammer, dass er den Vampir nicht kurz wiedererwecken und sich bei ihm bedanken konnte!
So fühlte ich mich, ehe all das Elend, die Finsternis und der verfluchte Schwur mir mein Leben nahmen.
Ich muss sie besitzen.
Sie roch nach Seife, und ihre Wärme war ihr einziges Parfum.
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