Seelenkuss / Roman
knabbernd. Unerwartete Wonne ließ sie innerlich zerschmelzen, wie der Irrsinn plötzlich einsetzenden Tauwetters im Frühling.
Finger glitten über die Narbe auf ihrem Bauch und die an ihrem Rücken. Liebevoll. Ehrfürchtig. Reynard machte keine Angst, wer sie war.
Ein Stöhnen entfuhr ihr, dabei wollte sie triumphierend brüllen wie eine Raubkatze, die einen würdigen Partner gefunden hatte. Doch so einfach war es nicht. Reynard gehörte ihr nicht. Er würde keiner Frau gehören, außer, sie fanden den Dämonendieb.
Und dann ginge er in den Kerker zurück. Erfolg bedeutete Trennung, Versagen Tod. So oder so war das Lebewohl unvermeidlich.
O Göttin!
Ashe stemmte ihre Hände gegen Reynards Brust und schob ihn ein Stück zurück. »Ich sagte dir doch, dass du mich nie wieder küssen sollst.«
»Wie gut, dass ich nicht auf dich gehört habe.«
Mit derselben Geste, mit der man sich Tränen wegwischt, strich Ashe sich eine verirrte Haarsträhne aus den Augen. »Wir haben zu arbeiten.«
Er blinzelte sie an, denn nach wie vor blendete ihn das Sonnenlicht. Dabei fragten seine Augen das typische »Hab ich was falsch gemacht?«, wie bei allen Männern, die mitten in der Verführung unterbrochen wurden. Ashe nahm die Sonnenbrille aus ihrer Tasche und setzte sie ihm wieder auf die Nase.
»Wenn wir als Partner fungieren sollen, musst du dich auf den Job konzentrieren.«
Er schmunzelte. »Partner?«
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11
U nsichtbar beobachtete Miru-kai den Feuerdämon, den sie Mac nannten. Der Prinz kaute an seinem Fingernagel und fragte sich, ob er sich weiterwagen sollte. Er hatte mehrere riskante Eröffnungen im Sinn, aber war eine von ihnen clever genug, dass er damit erreichte, was er wollte? Bei Dämonen konnte man nie wissen.
Miru-kai schwebte im Türrahmen zu dem Büro, wo die Wachpläne erstellt wurden. Der Raum war eine merkwürdige Mischung aus uraltem Stein und moderner Ausstattung, denn hier handelte es sich um einen jener Burgbereiche, in dem Elektrizität aus den Wänden kam. Mac saß an einem alten Metallschreibtisch, kaute auf der Spitze seiner Schreibfeder und neigte den dunklen Kopf tief über seine Arbeit. Der Schreibtisch war groß, hässlich, zerdellt und von einem Wust weißen Papiers bedeckt. Eine Lampe mit grünem Schirm warf einen grellen Lichtkreis auf die Mitte des Durcheinanders. Der Boden bestand aus nacktem Stein.
Die starken Kontraste dieses Bildes muteten beinahe komisch an. Den ganzen Leib des riesigen Dämons – ein in jeder Hinsicht massiger Mann – kennzeichneten blaue flammenförmige Tätowierungen. Die bloße Hitze seiner Gegenwart erwärmte den Raum. Miru-kai hatte beobachtet, wie er es allein mit einer Armee rebellierender Wachen aufnahm. Und nun brütete er über Papieren wie ein gewöhnlicher Büroschreiber, machte sich säuberliche Notizen, schrieb Listen, knüllte Bögen zu kleinen Bällen und warf sie auf den Boden.
Wie jeder gute Anführer würde Mac tun, was nötig war, um seine Arbeit zu erledigen, ungeachtet des Aufwands. Es dürfte interessant werden, sich mit ihm zu messen, doch vorerst wollte Miru-kai es damit versuchen, ihn zu überreden.
Der Prinz begab sich vor den Schreibtisch und las kopfüber, was auf den Papieren stand. Macs Problem war offensichtlich: zu viele Schichten, zu wenige Männer, um zusätzlich die zahlreichen Verdächtigen zu befragen. Keine Magie der Welt, weder die von Feen noch die der Dämonen, hätte dieses Dilemma lösen können.
Miru-kai zog die Tür hinter sich zu, auf dass sie ungestört reden konnten. Bei dem Geräusch sah der Dämon auf und blickte sich misstrauisch in seinem Büro um.
Seine Robe nach hinten schwingend, setzte Miru-kai sich auf den Besucherstuhl Mac gegenüber und löste den Zauber, der ihn unsichtbar machte.
»Scheiße!« Mac sprang auf und zog eine dieser kleinen Feuerwaffen, welche die neuen Wächter benutzten. Eine solche Schnelligkeit verriet jahrelanges Training.
Eindrucksvoll.
»Entspannen Sie sich!«, sagte Miru-kai gelassener, als er war. »Ich komme nicht, um zu kämpfen.«
Macs dunkle Augen funkelten rot. »Was wollen Sie dann?«
Der Prinz stellte eine kleine Flasche auf den Tisch, und eine unerwartete, echte Traurigkeit überkam ihn. »Ich brauche einen Menschen, der mit mir trauert.« Die Worte schmerzten gleich tiefen Rissen in seiner Haut.
»Worum trauern Sie?« Macs Waffe blieb auf ihn gerichtet.
»Mein Freund Simeon ist tot. Mich trifft sein Verlust sehr tief, so dass mich wundert, wie nicht die
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