Seelenkuss / Roman
wäre ich vor hundert Jahren gestorben. Ich werde nicht blutend in deinen Armen enden. Und ich brauche keine Krankenschwester.«
Ashe merkte, wie ihre Wangen glühten. Ihr Kämpferinstinkt wollte ihn für das bezahlen lassen, was er eben getan hatte, aber er hatte recht: Sie hatte ihn wieder einmal falsch eingeschätzt.
Er zog sie näher zu sich. »Ich bin kein Relikt aus Zeiten der Ritterlichkeit, die längst passé sind. Ich bin hier, weil ich Resultate sehen will. Manchmal ist es richtig, die Bestie in sich herauszulassen, wie wir beide wissen.«
Sie konnte seine Wärme riechen, sauber und männlich. Die Stärke seines Griffs war beängstigend und zugleich auf bizarre Weise tröstlich. Sie hatten sich in Sachen Verstand wie Waffenkunst gemessen, und diesmal hatte er gewonnen. Auf einer primitiven Ebene machte es ihn würdig, dass sie ihm ein kleines bisschen vertraute.
»Okay, meinetwegen.«
Jetzt hätte er eigentlich ihren Arm loslassen sollen. Tat er aber nicht, und sie entwand sich ihm nicht. Aber sie sahen sich auch nicht in die Augen. Stattdessen war seine andere Hand auf einmal an ihrer Schulter und drückte sie an die Spiegelwand hinter ihr. Die glatte kühle Oberfläche an ihrer überhitzten Haut fühlte sich herrlich an. Kitzelnder Schweiß rann ihr zwischen die Brüste.
»Sieh mich an!«, raunte er tief und ein bisschen brüchig. »Ich bin wie du: ein Kämpfer.«
Lieber wandte sie den Blick ab, worauf Reynard langsam ausatmete, was sie nicht bloß hörte, sondern zu allem Überfluss an der minimalen Bewegung des T-Shirt-Stoffs über seinen Muskeln spürte. Er war viel zu nahe! Ashe fühlte sich bedrängt, als bildete sein Körper einen Käfig um sie. Noch dazu strich sein Atem über ihre Wange. Gegen seine enorme Stärke konnte sie herzlich wenig ausrichten. Wenn sie ihn wegschubste, würde er sie einfach zurückstoßen.
Für ihn war es offenbar nur zur Hälfte ein Spiel, und das machte es erregend. Sie konnte unmöglich vorhersagen, was er als Nächstes vorhatte.
Traurigkeit stieg in ihr auf, ein Schmerz, den sie beide teilten. Er war ein Mann ohne Zukunft, und sie konnte sich die emotionalen Qualen nicht leisten, die damit einhergingen. Mit dieser Sorte Risiko war sie endgültig durch.
Nicht noch eine Tragödie!
Und dennoch war er hier, an sie gepresst, warm und real. Plötzlich schmolzen all die Kompliziertheit, das Risiko dahin wie Wasserdampf auf einem Spiegel.
Einen Moment nur kann ich ihn haben. Nur eine Minute.
Sie streifte sein sauber rasiertes Kinn mit ihren Lippen, fühlte seinen Atem, der durch ihr Haar wehte, und erreichte die empfindliche Stelle, wo sein Wangenknochen dem Hals begegnete und sie das zarte Beben seines Körpers spürte. Er beherrschte sich, hielt sie beide mit aller Kraft im Zaum.
»Schließ die Augen!«, flüsterte sie, nahm ihm die Sonnenbrille ab und hakte sie in die Hüfttasche ihrer Shorts. Ohne sie war er hilflos. Seine Augenlider waren so bleich, dass sie die feinen Adern in ihnen ausmachen konnte.
Ashe küsste sie und entdeckte eine Zärtlichkeit in sich, die sie selten zuvor für einen Mann empfunden hatte. Es mochte daran liegen, dass er so stark war oder dass er schon einmal fast in ihren Armen verblutet war. Stark. Schwach. Sie konnte es nicht sagen. Nach ihren üblichen Kriterien war Reynard überhaupt nicht einschätzbar.
Seine Hand wanderte seitlich an ihr hinauf, fand ihre Brust, umfing sie. Gleichzeitig öffneten sich seine Lippen, neigten sich seitlich, und auf einmal verschlang er sie, nahm sein Mund ihren vollständig ein. Da war nichts Sanftes. Pures Verlangen. Schieres Begehren, das zu lange unterdrückt worden war. Ashes Rücken war gegen den Spiegel gepresst, so dass der BH -Verschluss sich unangenehm in ihre Haut drückte.
Ein kurzer Anflug von Furcht regte sich in ihrem Bauch, und dann gab sie sich dem Kuss hin. Er schmeckte und roch nach Mann, dunkel und muskatig. Mit den Fingern malte sie die Konturen seines Gesichts nach, während sie die fließenden Muskelbewegungen in seiner Brust fühlte.
Wie von selbst spreizten sich ihre Beine, machten Platz für ihn. Zu spüren, wie hart er war, entfachte ein Feuer tief in ihrem Körper. All ihre femininen Stellen begannen, sehnsüchtig zu schmerzen. Dies war, was sie sich immer gewünscht hatte. Keine Kompromisse. Keine Zurückhaltung.
Tränen stiegen ihr in die Augen, vor Trauer, Freude und Einsamkeit, und ihr Hals brannte.
Reynards Zähne strichen über ihre Ohrmuschel, neckten sie
Weitere Kostenlose Bücher