Seelenkuss / Roman
Trank, den ich mitgebracht habe.«
Mac schob ihm die Flasche hin. »Bedienen Sie sich!«
»Sie sollten wissen, dass die Dunkelfeen gutes Benehmen schätzen.«
»Wenn ich Sie betrunken mache, verraten Sie mir vielleicht, was Sie wollen.«
Miru-kai kostete den Scotch. Er fühlte sich wie Feuer auf seiner Zunge an, erzählte von wilden Orten, sternenerleuchteten Nächten und Musik, die der Prinz beinahe zu hören glaubte.
Nahrung war anders für Feen; sie sprach all ihre Sinne an.
Er stellte das Glas auf den Tisch zurück, denn er wollte den Genuss möglichst verlängern. »Was ich zu sagen habe, ist recht simpel. Ich weiß, dass Sie mich für Ihren Feind halten, der ich jedoch nicht bin. Kriege dienen den Interessen der Dunkelfeen nicht.«
Mac zog eine Braue hoch. »Sie überraschen mich. Ich hätte Sie nie für einen Friedensstifter gehalten.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Dämon. Wir sind Opportunisten. Wir überleben, indem wir die preisgekrönte Kuh oder das beste Ale stehlen – ohne Vieh oder ein Fass in Sicht darben wir. Unser Interesse gilt dem Wohlstand, und Sie erwecken den Eindruck, selbigen bieten zu können.«
Mac trank einen Schluck von seinem Scotch. »Dann stehen Sie auf meiner Seite?«
»In dieser Burg zu bestehen ist, als müsste man ein Dutzend Schachpartien gleichzeitig meistern. Ich habe mich jahrhundertelang bemüht auszuschließen, dass ein wahrer Gewinner daraus hervorgeht.«
»Warum?«
Der Prinz lächelte. »Welchen der Warlords würden Sie als Herrscher wollen?«
Auf Macs Gesicht spiegelten sich eine ganze Reihe von Gedanken. »Gutes Argument. Wollen Sie sicherstellen, dass ich ebenfalls verliere?«
»Mit Ihnen kündigt sich ein neuer Ausgang der Partie an: Frieden und Integration in die Außenwelt. Beides reizt mich. Nach so langer Zeit ist mir alles äußerst wertvoll, das mein Interesse weckt.« Miru-kai kostete nochmals von dem Scotch.
»Wie lange sind Sie hier?«
»Als ich ankam, hatten die Christen gerade Jerusalem eingenommen.«
»Das war vor … ungefähr neunhundert Jahren?«
»Mag sein.« Miru-kai überkam eine merkwürdige Empfindung. Staunen. Angst. Vor allem aber der Drang, aus diesem Gefängnis auszubrechen.
Während der Kerker wieder zum Leben erwachte, wurde der Prinz beständig rastloser. Außerdem gab es keinen Grund mehr zu bleiben. Das Muster hatte sich verändert. Er hatte soeben die emotionalen Bande, die ihn an diesem Ort hielten, begraben. »Simeon war die ganze Zeit bei mir.«
»Wie gerät ein Sterblicher in den Hofstaat einer Dunkelfee?«, fragte Mac.
»Er war ein armer Ritter. Mein Vater lud ihn ein, an unseren Hof zu kommen. Im Gegenzug sollte Simeon mich in der Schwertkunst unterrichten. Was mein Vater nicht erwähnte, war, dass es keine Entlassung aus dem Eid gab. Hätte Simeon einen Fuß auf sein eigenes Land gesetzt, wäre er zu Staub zerfallen, denn einhundert Jahre waren vergangen, ohne dass jemand es bemerkte. Und so blieb Simeon. Während all der Zeit war er mir ein treuer Freund und zweiter Vater.«
Mac lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete den Prinzen sehr aufmerksam. »Habt ihr das häufiger getan? Sterbliche festgehalten?«
Miru-kai tolerierte die Fragen, hoffte er doch, im Tausch gegen seine Informationen ein wenig Vertrauen zu gewinnen. »Wir brauchen Menschen um uns. Sie bringen uns, woran es uns mangelt. Menschen, insbesondere ihre Kinder, lieben viel leichter.«
»Ihr habt
Kinder
verschleppt?«
»Lesen Sie keine Märchen, Dämon? Mein eigener Großvater war ein Sterblicher, als Kind aufgenommen.«
»Das ist krank!«
»Wir ziehen diese Kinder als unsere eigenen auf. Wir beschützen sie ebenso gut, wenn nicht besser, als es ihre menschlichen Eltern jemals täten. Gelegentlich, wie bei meinem Großvater, heiraten wir sie. Die Fähigkeit zur Gefühlsbindung ist ein sterblicher Zug, den wir über alles schätzen. Ich würde viel geben, wieder unter Menschen leben zu dürfen.«
Da! Er hatte den wahren Grund für seinen ach so zivilisierten Besuch angedeutet.
Mac beäugte ihn argwöhnisch. »Ich denke kaum, dass die Außenwelt für einen Dunkelfeenprinzen bereit ist.«
Miru-kai lächelte traurig, sorgsam bedacht, seine Reißzähne nicht zu zeigen. »Sie wollen mich nicht freilassen?«
Mac lachte. »Sie haben fast tausend Jahre lang gegen die Wachen gekämpft, und darin sind Sie verflucht gut. Sie sind der Prinz einer dunklen Macht – nicht zu vergessen, ein verschlagener Mistkerl. Nein, ganz so
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