Seelenkuss
umwickelter Griff sichtbar, in dessen Knauf ein ockerfarbenes Juwel eingesetzt war. Dunkelrote Einschlüsse loderten im Flammenschein in ihm. Dann erschien die kunstvoll gewundene Parierstange. Schließlich befreite er die Klinge aus der Decke und Darejan holte tief Luft. Das Licht der Fackel fing sich auf glänzendem Stahl, von dem sich dunkel die Blutkehle abhob. Ineinander verschlungene Runen schimmerten grau in ihr. Für einen zitternden Atemzug schloss Darejan die Augen. Sie hatte eine ganz ähnliche Waffe schon einmal gesehen, verborgen unter einer losen Steinplatte, zusammen mit den Bruchstücken jenes Steines, den Fren » KonAmàr « genannt hatte. Und wie diese hier war auch jene andere geflammt gewesen und hatte keine Fehlschärfe besessen. Das Schwert eines DúnAnór. Sie öffnete die Augen und starrte auf den Verrückten hinab. Sein Schwert!
Ein scharfes Atemholen Oqwens direkt neben ihr riss sie aus ihrer Erstarrung, und sie erschrak, als sie sah, dass Blut zwischen den Fingern des Verrückten hervorquoll, die sich um die Schneide geschlossen hatten. Ohne darüber nachzudenken, ob es sich um ein Ritual der DúnAnór handelte, packte sie seine Hand, um sie aufzubiegen. Es schien ewig zu dauern, bis sein Griff nachgab, sie ihm die Waffe entwinden und Oqwen übergeben konnte, der sie respektvoll entgegennahm. Einen Moment fürchtete Darejan, er sei wieder in die dumpfe Teilnahmslosigkeit seines Wahnsinns hinübergeglitten. Er zitterte, als sei sein Fieber unvermittelt in mörderische Höhen geschossen. Doch als sie ein Knäuel Leinen, das Oqwen aus einem Beutel hervorgezerrt hatte, auf seine Handfläche und die Finger drückte, um die Blutung zu stoppen, war seine Haut kälter als Eis. Mit einem schmerzerfüllten Atemzug erwachte er aus seiner Benommenheit, ließ es aber geschehen, dass sie ihn verband. Allerdings hatte sie kaum den Knoten geknüpft, der die Stoffstreifen an ihrem Platz halten sollte, da entriss er ihr seine Hand und nahm dem Isârden das Schwert wieder ab. Mit behutsamer Ehrfurcht schlug er es erneut in die Decke ein und legte es neben den versiegelten Krug zurück.
» Klinge? « Das Wort klang wie eine Frage und ließ alle drei sich umwenden. Keiner von ihnen hatte bemerkt, wie eine junge Frau herangekommen war. Ihr Kleid war ebenso angesengt und rußfleckig wie die Gewänder der anderen Flüchtlinge, dennoch glaubte Darejan im Licht der Fackel auf seinem ehemals wohl hellblauen Stoff Stickereien erkennen zu können. Dunkle, beinah mitternachtsblaue, ineinander verschlungene Symbole, die sie unwillkürlich an die Runenlinien erinnerten, die in Brust und Rücken des Verrückten gestochen waren. Die Frau stand keinen Schritt von ihnen entfernt. Aufmerksam glitten ihre graubraunen Augen zuerst über Darejan, dann den Verrückten. Ihre Züge verrieten ihre Unsicherheit. Unter ihrer Musterung richtet der Verrückte sich langsam auf und duckte sich unter der Plane heraus. Die samtigen Augen der jungen Frau waren seinen Bewegungen gefolgt, huschten nun noch einmal zu Darejan, ehe sie sich schließlich auf sein Gesicht richteten. Sie versuchte ein scheues Lächeln. Neben ihr stand das blonde Mädchen von zuvor.
» Ich wollte Lisjar nicht glauben, als sie sagte, dass ihr… Ich habe nicht gewusst… Ich habe noch nie gehört, dass eine Korun… « Sie sah zu Darejan und verstummte sichtlich verlegen. » Ich bitte um Verzeihung, Klinge, ich wollte nicht ungebührlich erscheinen « , murmelte sie, während sie in einen perfekten Knicks sank, aus dem sie sich mit noch immer brennenden Wangen anmutig wieder aufrichtete. Als sie den Verrückten dieses Mal ansah, war sie ruhig und gefasst. » Ich bin Mirija, Schülerin des Nekromanten Sorejde. Ich entbiete euch anstelle meines Meisters meinen Gruß. « Ihre Stimme wankte bei ihren letzten Worten bedenklich. Abermals kehrte die bedrückende Stille zurück. Je länger sie andauerte, umso deutlicher wurde der Ausdruck von Verzweiflung in Mirijas Gesicht. Wären nicht alle Augen auf sie gerichtet gewesen, hätte Darejan dem Verrückten den Ellbogen in die Rippen gestoßen, um ihn dazu zu bringen, irgendetwas zu sagen. Sah er denn nicht, dass Mirija ganz offensichtlich auf eine Reaktion wartete?
» Was ist mit deinem Meister geschehen, dass du mich an seiner statt begrüßt, Adepta? « , fragte er schließlich verblüffend sanft.
Sofort schossen dem Mädchen die Tränen in die Augen und erstickten ihre Stimme. » Er wurde erschlagen… wie eure beiden
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