Seelenkuss
streute daraus etwas in die sanft brennenden Flammen, das wie ein Gemisch aus getrockneten und zerstoßenen Blättern und Samen aussah. Es knisterte leise, dann stieg eine dünne Rauchspirale auf. Mit einem Mal hing der würzige Geruch von warmer, feuchter Erde in der Luft, durchdrungen von einem schweren und zugleich feinen Duft, der Darejan unerklärlicherweise an das Spiel von Licht und Dunkelheit kurz nach einem Sonnenaufgang im Sommer erinnerte. Das Letzte, was sie hörte, waren Mirijas zögernde Schritte, als sich die junge Frau ein kleines Stück zurückzog. Dann war es abgesehen von dem leisen Knistern der Flammen zwischen den Zweigen still. Nur ihre eigenen Atemzügen, die des DúnAnór und der Kleinen waren von Zeit zu Zeit darüber zu hören. Schweigend und angespannt saß Darejan auf dem ihr zugewiesenen Platz und wartete. Das Feuer warf Schatten auf die Züge des Mädchens; Schatten, die sich in denen des DúnAnór zu spiegeln schienen. Er hatte seine Finger mit denen der Kleinen verschränkt, die Arme locker um sie gelegt. Ihr dunkelblonder Kopf ruhte vertrauensvoll an seiner Schulter. Seine Dämonenaugen hielten Darejans Blick fest. Und dann, ganz langsam, verloren sie ihren Fokus. Schatten mischten sich unter das Silber, wandten sich träge um die Sodijansplitter, weckten ein Lodern und Wirbeln in ihren Tiefen. Unter dem zerrissenen Hemd hob und senkte seine Brust sich in allmählich immer größer werdenden Abständen. Mit jedem Atemzug wurden seine Augen glasiger. Es schien, als sähe er plötzlich etwas anderes, etwas, das jenseits dessen lag, was für ihre eigenen Sinne bestimmt war. Kälte kroch über ihren Nacken. Sie wagte einen raschen Blick zu Mirija hin und entdeckte, dass die sie noch immer mit gerunzelter Stirn anschaute.
Der Wind raunte, trug das Knistern des Feuers zusammen mit tanzenden Funken und wirbelndem Rauch in den Nachthimmel hinauf. Und dann war da plötzlich beinah unhörbarer Gesang über seinem Wispern, der allmählich lauter wurde. Er traf Darejan mit der sanften Kühle eines Sommerregens am Ende eines heißen Tages und der Gewalt eines Gewittersturmes, unter dessen Macht sich die Bäume neigten. Sie sah gerade noch, wie Mirija die Augen aufriss und nach Luft schnappte, als sie sich schon wieder zu dem DúnAnór umwandte. Seine Lider waren jetzt geschlossen. Das Mädchen lag still in seinen Armen. Darejans Mund war mit einem Mal wie ausgedörrt. Sie hatte seine Stimme noch nie anders als rau und erschöpft gehört, doch nun… Sein Lied war Locken und Schmeicheln. Das Versprechen von Schutz und Geborgenheit, gewoben aus Tönen und Macht. Nur eine Melodie, die sich wie das Knistern eines Feuers mit dem Wind in die Höhe schwang, oder wie das Glucksen von Wasser in der Lautlosigkeit der Erde verrann, bis sie kaum mehr als eine Ahnung war, gerade jenseits dessen, was ein Ohr zu hören vermochte. Da waren keine Worte, keine Sprache, nur dieses Lied. Nur dieses Lied, das die Seele der Kleinen aus den Tiefen des Schleiers hervorlockte und in ihren Körper zurückrief. Und mit jedem Ton versank auch Darejan mehr in der Macht seiner Stimme. Ein Teil in ihr wollte seinem Locken folgen, sich in die Geborgenheit schmiegen, die sein Lied versprach. Und doch wusste dieser Teil auch, dass jenes Lied nicht für sie bestimmt war. Ein Lied für jede Seele, für jede Not. Nicht eines wäre jemals gleich. Ein kühler Hauch strich über ihren Nacken, Wellenkreise glitzerten auf dem Wasser der Schale, feiner Nebel quoll aus ihm empor, mischte sich mit dem Rauch, der von den Flammen aufstieg, wand sich um ihn, tanzte mit ihm, bis er zu Boden sank und sich zu grauem Schimmern verdichtete. Glitzernd wallte er höher, verwandelte sich in einen trüben Schleier, der alles verschlang. Darejan glaubte Bewegung und Schatten in ihm und zugleich hinter ihm zu erkennen. Nicht mehr als eine Ahnung, die zu Dunst verging, wenn sie genauer hinsah. Einer der Schatten drehte sich zu ihr um, hob ihr flehend die Hände entgegen. Sie waren blutig zerschnitten. Etwas zog sie vorwärts. Näher. Näher. Eine einzige Spanne noch und sie hätte mehr ausmachen können als nur eine Silhouette. Ein großer, dunkler Schemen breitete seine mächtigen Schwingen aus. Ein Schrei wie der eines Adlers gellte in den Schleiern. Mit einem Keuchen riss Darejan die Augen auf. Der Nebel war auf den Boden zurückgesunken. Schmerz pochte in ihrem Kopf, dieses Mal nur wie weit entfernt. Sie blinzelte. Wie viel Zeit war vergangen, ohne
Weitere Kostenlose Bücher