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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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dass sie es bemerkt hatte? Stunden? Es war noch immer Nacht. Die Brust des Mädchens hob sich in einem tiefen Atemzug. Ein Seufzen entwich seinen Lippen. Ein Lächeln lag jetzt auf ihnen. Die Stimme des DúnAnór wand sich rein und klar weiter in die Höhe, rief und lockte. Jeder Ton eine Liebkosung. Nicht einer bebte oder brach. Etwas hatte sich um Darejans Herz gelegt und drückte es mit aller Gewalt zusammen. Es wollte ihr kaum gelingen zu atmen. Die Zeit gefror und verflog zur Ewigkeit. Das Mädchen regte sich, tat einen weiteren, tiefen Atemzug. Und noch einen. Darejan blinzelte, sog scharf die Luft ein. Sie hätte nicht zu sagen vermocht, wie lange sie unter der Macht seiner Stimme reglos dagesessen hatte. Eine seltsame Wehmut hatte sich in ihrer Brust festgesetzt, ein vager Schmerz, der sich zu einer unerklärlichen Sehnsucht wandelte, als ihr bewusst wurde, dass das Lied des DúnAnór verklungen war. Die Zweige glommen nur noch sacht vor sich hin. Das Wasser stand still und dunkel in der Schale, ein feines Band aus Erde trieb auf ihm. Die Kleine regte sich schwach an der Schulter des DúnAnór, als erwache sie aus einem tiefen Schlaf. Langsam schlug sie die Augen auf.
    » Mama? « , flüsterte das Mädchen fragend und hob verwirrt den Kopf. Die Hände des DúnAnór fielen schlaff herab, als es seine Finger aus ihnen löste. Mit einem Aufschrei stürzte die alte Frau vor, riss sie aus seinem Schoß in ihre Arme. Auch die anderen Dorfbewohner waren herangekommen, umringten das Mädchen und die Frau. Einigen liefen Tränen über die Gesichter und auch Darejan spürte die Nässe auf ihren Wangen. Sie begegnete Mirijas Blick. Noch immer musterte die sie mit schmalen Augen, die Stirn von Falten durchfurcht. Ein erschrockener Schrei ließ beide herumfahren. Die Freude der Dorfbewohner war Bestürzung gewichen. Sie starrten auf den DúnAnór, der ohne einen Laut zur Seite gesunken war und nun reglos im Gras lag. Seine Augen standen offen. Blicklos.
    Hastig sprang Darejan auf, doch Mirija hatte ihn noch vor ihr erreicht und kniete sich an seine Seite. Ihre Hände berührten bebend sein Gesicht, legten sich auf seine Brust. Etwas wie ein schluchzendes Stöhnen drang aus ihrer Kehle. Über die Schulter hinweg sah sie Darejan voll hilflosem Entsetzen an. » Wie konntest du nur! « , schüttelte sie den Kopf, dann wurde sie auch schon von Oqwen zur Seite geschoben. Der Isârde fluchte, winkte seine Männer herbei.
    Darejan wurde angerempelt, beiseitegestoßen. Aufgebrachte und zugleich verständnislose Blicke trafen sie. Mit einem seltsamen Gefühl der Benommenheit beobachtete sie, wie die Krieger den schlaffen Körper des DúnAnór aufhoben. Sein Arm fiel herab, seine Hand schlug so hart gegen das Bein eines Mannes, dass der ein Zischen ausstieß. Doch der DúnAnór hing weiter still in ihrem Griff.
    » Vorsicht! « – » Stützt seinen Kopf! « – » Ich hab ihn. « – » Er ist eiskalt. « – » Beeilt euch « , hörte sie die Stimmen der Krieger. Abermals traf sie ein fassungsloser Blick Mirijas. Dann machte die junge Frau kehrt und hastete den Männern hinterher. Nur allmählich wich Darejans Benommenheit Begreifen. Irgendetwas wurde ihr vorgeworfen. Sie schaute zu den anderen Frauen hinüber, die sich um Siran und ihre Großmutter geschart hatten und sie geradezu angewidert ansahen. Eine spuckte verächtlich aus. Darejan wandte sich abrupt ab und eilte Mirija und den Kriegern nach.
    Sie hatten den DúnAnór zu dem Deckenlager unter der Lederplane getragen. Mirija kniete neben ihm. Gerade hüllte sie ihn in einen Umhang, den einer der Isârden ihr reichte. Der andere war damit beschäftigt, so nah bei dem unzulänglichen Unterschlupf wie nur möglich ein Feuer zu entzünden. Hoch über ihnen stand ein abnehmender Mond, dessen blutroter Schein etwas in Darejan weckte, das sich wie Angst anfühlte. Zögernd trat sie näher. Sie hörte leise Mirijas Stimme, ohne zu verstehen, was sie sagte. Oqwen antwortete ein wenig lauter. Einer seiner Männer drehte sich um. Um ein Haar wäre er mit Darejan zusammengeprallt. Er bedachte sie mit einem abfälligen Blick, drängte sie mit einem verächtlich hervorgestoßenen » Aus dem Weg, Korun! « grob beiseite und hastete davon.
    Mirija hob eben mit einem fragenden Ausdruck auf dem Gesicht den Kopf, doch kaum hatte sie Darejan erkannt, malte sich Zorn auf ihren Zügen.
    » Was willst du hier? Hast du nicht schon genug angerichtet? « Die junge Frau sprang auf, vertrat ihr den

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