Seelenkuss
Schwertbrüder. « Sie schaute kurz auf das Bündel, in dessen Inneren sich das Schwert verbarg. Als sie den Verrückten wieder ansah, hatte sie ihre Finger ineinandergekrallt. » Ich… ich brauche eure Hilfe, Klinge! « , flüsterte sie flehend und trat einen Schritt vor.
» Meine Hilfe? « Die Edelsteintätowierungen blitzten, als seine Brauen sich verblüfft zusammenzogen.
» Ja, eure Hilfe « , nickte die junge Frau schnell. » Bitte! « Ihre Hand schloss sich um seine. » Bitte! Ihr müsst mit mir kommen und Siran helfen. « Sie versuchte, ihn mit sich zu ziehen, hielt dann aber inne, als ihr klar zu werden schien, was sie sich da herausnahm. » Bitte! « , flehte sie noch einmal, jedoch ohne ihn loszulassen.
Oqwen hatte sich nach der Fackel gebückt, jetzt berührte er Mirija mit einem Brummen an der Schulter. » Siehst du nicht, dass die Klinge erschöpft ist? Lass ihm heute Nacht, um sich auszuruhen. Es war ein harter Tag… «
» Nein! « Störrisch schüttelte die junge Frau den Kopf. » Siran bleiben nur noch ein paar Stunden. Bis zum Morgen ist es zu spät. « Ihr Blick richtet sich erneut auf den Verrückten. » Bitte! Ihr habt den Schwur geleistet! Kommt mit und helft ihr! « Sie zog noch einmal an seiner Hand und diesmal fügte er sich zu ihrer offensichtlichen Erleichterung mit einem Nicken.
» Geh voraus, Adepta. « In seiner Stimme war so viel Müdigkeit, dass Darejan für einen Moment glaubte, die Schülerin des Nekromanten hätte Mitleid mit ihm. Doch sie zögerte nur einen Atemzug, ehe sie sich umdrehte und ihnen den Weg wies. Oqwen folgte ihnen schweigend, die Fackel in der einen Hand, die andere deutlich sichtbar am Griff seines Säbels, wie zur Warnung für jeden, der es noch nicht gehört haben mochte, dass die beiden Fremden nicht mehr länger Gefangene waren.
Und während Mirija sie mit schnellen Schritten zwischen den Lagerfeuern hindurchführte, kam ganz allmählich ein Murmeln auf. Nur zwei Worte, die von Mund zu Mund gingen: » Nekromantia « und » DúnAnór « . Sie wurden mit so viel Ehrfurcht ausgesprochen, dass ein Schauder Darejans Rücken hinabrann.
Neben einer alten Frau, die ein Mädchen von nicht mehr als neun oder zehn Jahresläufen in ihren Armen wiegte, blieb die Schülerin des Nekromanten schließlich stehen. Der Körper der Kleinen war in eine Decke gewickelt und lag vollkommen schlaff über dem Schoß der Alten. Das Licht der Fackel glänzte in seinen weit aufgerissenen Augen. Leer starrten sie ins Nichts. Auch als Mirija neben den beiden niederkniete und dem Mädchen fest über den Kopf strich, ja sogar mit den Fingern dicht vor seinem Gesicht schnippte, blieben seine Züge absolut reglos. » Seitdem unser Dorf überfallen wurde, ist die Kleine so. Ich glaube, etwas entsetzlich Böses hat sie berührt und ihre Seele in den Schleier gestoßen. « Ihr Blick richtete sich flehend auf den Verrückten, huschte zu Darejan, kehrte zu ihm zurück. » Ihr müsst ihr helfen! Wenn ihre Seele noch länger im Schleier bleibt, wird sie für immer dort gefangen sein. « Sie umklammerte seine Hand. » Bitte, Klinge! Helft ihr! Bitte! «
Erstaunt stellte Darejan fest, dass der Blick, den der Verrückte ihr über den Kopf der jungen Frau hinweg zuwarf, voller Hilflosigkeit war.
» Bitte, Herr! « Auch die Alte sah jetzt mit tränenverhangenen Augen zu ihm auf. » Sie ist alles, was mir von meiner Tochter geblieben ist. Und sie ist doch noch so klein. «
Anstelle einer Antwort entzog der Verrückte Mirija seine Hand und wich einen Schritt zurück. Etwas im Gesicht der jungen Adepta veränderte sich, erlosch. Es schien, als hätte er mit dieser einfachen Bewegung ihre Welt niedergerissen und alles in den Staub getreten, woran sie jemals geglaubt hatte. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber sogleich wieder, angesichts der Tränen, die mit einem Mal in Mirijas Augen standen.
» Es ist eure Pflicht. Ihr habt den Schwur getan « , flüsterte sie erstickt. Plötzlich glänzte Silber auf ihren Wangen.
Für einen schier endlosen Moment starrte er die junge Frau an. Seine Hände schlossen sich an seinen Seiten zu zitternden Fäusten, öffneten sich, schlossen sich abermals, verkrampften sich. Auf dem Leinen um seine Linke zeigten sich erste Flecken. Um sie her war es grabesstill. Sein Blick huschte über die Gestalten an den Feuern, kehrte zu den leeren Zügen des Mädchens zurück, suchte den notdürftigen Unterschlupf, der den versiegelten Krug und das Schwert
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