Seelenkuss
barg. Langsam holte er Atem, ehe er kaum merklich nickte.
» Was auch immer in meiner Macht stehen mag: Ich werde es tun « , sagte er leise, ohne die Augen aus der Dunkelheit zu lösen.
Ganz offensichtlich erleichtert, wischte Mirija sich das Gesicht ab und stand schnell auf. » Ich werde alles vorbereiten « , versprach sie hastig und sah abermals auch Darejan an. Nur langsam wandte der DúnAnór den Blick zu der Schülerin des toten Nekromanten. Sein neuerliches Nicken war nur die Andeutung einer Bewegung. Und doch genügte es, um ihn unversehens wanken zu lassen. Oqwen, der die ganze Zeit schweigend hinter ihm gestanden hatte, packte ihn am Arm.
» Wenn alles vorbereitet ist, schick jemanden zu meinem Feuer. Wir warten dort « , knurrte er die junge Frau an und schob den DúnAnór, ohne auf eine Antwort Mirijas zu warten, durch die respektvoll zurückweichenden Menschen. Wortlos schlüpfte Darejan auf die andere Seite des Verrückten.
Erst als sie das Feuer der Isârden-Krieger fast erreicht hatten und er sicher war, dass die Flüchtlinge ihn nicht mehr hören konnten, sprach Oqwen erneut.
» Ihr seid erschöpft und krank.– Nein, versucht nicht, es zu leugnen. Ich merke doch, dass ihr vor Fieber brennt. – Pflicht hin oder her: Lasst die Seele der Kleinen im Schleier. Dieser Wahnsinn, den ihr da vorhabt, kann nicht gut gehen. Und ihr seid wichtiger als irgendein Bauernkind. «
Abrupt blieb der DúnAnór stehen. Oqwen merkte es zu spät und hätte ihn beinah umgerissen. » Warum sollte mein Leben wertvoller sein als das des Mädchens? « , fragte er leise und sanft. Doch unter der Sanftheit war etwas in seiner Stimme, das Darejan unwillkürlich den Atem anhalten ließ.
Dem Isârden war es offenbar auch nicht entgangen, denn als er sich zu ihm umwandte, wirkte er angespannt wie ein Mann, der sich auf einen Kampf vorbereitet. Für mehrere endlos scheinende Momente maßen sie einander. Schließlich stieß Oqwen ein Zischen aus. » Ehrenhaft, pflichttreu und starrsinnig. Immer im Sinne der alten Schwüre. Wie alle DúnAnór. Jedes Wort, mit dem ich versuchen würde, euch umzustimmen, wäre verschwendeter Atem. « Er knurrte. » Gerüchte gehen um, die sagen, es gäbe nur noch wenige Klingen. Ich fürchte fast, sie sind wahr. Und vermutlich aus genau diesem Grund! « Mit einem gereizten Brummen zog er den DúnAnór weiter. » Kommt schon! Zumindest könnt ihr euch noch ein wenig ausruhen und etwas essen. «
Am Feuer der Isârden saßen die beiden Krieger, die sie zuvor bewacht hatten. Doch auf eine kurze Geste ihres Anführers erhoben sie sich und verschwanden in der Dunkelheit. Oqwen schob den DúnAnór auf eine der Decken. Die Bewegungen, mit denen er eine Schale mit Suppe füllte und sie ihm dann zusammen mit einem Kanten Brot reichte, sprachen nur zu deutlich von seinem mühsam unterdrückten Ärger. » Esst! « , befahl er brüsk. » Ich lasse euch allein, bis es so weit ist. « Er sah Darejan an, die sich ebenfalls auf einer Decke niedergelassen hatte, und wies mit dem Kopf auf den DúnAnór. » Redet ihr noch einmal mit ihm. Vielleicht hört er ja auf euch! « Damit wandte er sich ab und stapfte in der Finsternis jenseits des Feuerscheins davon. Darejan starrte ihm hinterher. Etwas, das verzweifeltem Gelächter am nächsten kam, kroch ihre Kehle empor. Sie schluckte es unter.
Auch der Verrückte hatte Oqwen nachgesehen, nun senkte er den Blick auf die Schale in seinen Händen. Er musterte den Inhalt, als würde allein der Anblick ihm Übelkeit bereiten, dann stellte er sie beiseite und schaute still ins Feuer.
Eine kleine Ewigkeit beobachtete Darejan schweigend, wie sich die Flammen in seinen silbernen Augen spiegelten und die Sodijan-Splitter in ihnen zu glitzerndem Leben erweckten, bis er mit erschreckender Abruptheit die Ellbogen auf die Knie stützte und den Kopf in den Händen vergrub. Sie betrachtete ihn stumm, wie lange, konnte sie nicht sagen. Als sie die Stille schließlich brach, klang ihre Stimme viel zu laut über dem Knistern des Feuers.
» Er hat recht. Das kannst du nicht tun! «
Er fuhr sich mit beiden Händen durch seine filzige Mähne, ehe er den Kopf hob und sie ansah. » Sag mir nicht, was ich tun kann, Hexe. « Jedes Wort klang feindselig.
» Du weißt doch gar nicht, was… «
Sein bitteres Gelächter brachte sie zum Schweigen. » Hast du Angst, dass mir etwas zustößt und dann deine feinen Pläne ruiniert sind? « , höhnte er böse. Er beugte sich vor. Darejan wich vor
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