Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
Vom Netzwerk:
gerade tat. Was er dort unten getan hatte. Und jetzt warteten sie, was er noch tun würde. Seine Finger schlossen sich fester um den Becher. Der Schnitt in seiner Handfläche brannte. Noch einmal sah er einen nach dem anderen an, ehe er zu sprechen begann.
    » Ich will, dass der Mann am Leben bleibt! «
    Die Krieger wechselten schnelle Blicke, schwiegen aber weiter. » Die Grauen kommen erst, wenn die Sonne schon tief steht. Während des Tages… « Réfen machte eine vage Handbewegung. » Brot, angewärmtes Bier, ein paar Schluck Suppe…– Aber die Grauen dürfen keinen Verdacht schöpfen. «
    » Wie lange, Hauptmann? « Garwon zwängte die Finger unter die lederne Stulpe und kratzte sich an dem, was unzählige Kämpfe von seinen Unterarmflossen übrig gelassen hatten. Im Kerzenlicht schimmerten die wenigen grauen Fäden in seinem hellen Haar silbrig, als er sich vorbeugte.
    » Bis ich Antworten habe! «
    » Dann solltet ihr euch beeilen, diese Antworten zu bekommen, sonst ist es vielleicht zu spät. «
    Nickend stand Réfen auf, sah die Männer abermals an. » Niemand darf hiervon erfahren! «
    Scheinbar verwirrt zog Borda die Brauen in die Höhe. Ein feines Lächeln spielte um seine Lippen. » Wie sollte jemand von etwas erfahren, das gar nicht stattgefunden hat, da ihr ja krank in eurem Zimmer liegt und wir euch gestern, als ihr zusammengebrochen seid, zuletzt gesehen haben? «

5
    D ie Arme um die eng an den Leib gezogenen Beine geschlungen, saß Darejan in der Fensternische und starrte in die Nacht. Das Mondlicht glänzte in der Kristallkuppel der alten Bibliothek und verwandelte die Lagunenstadt dahinter in eine schwarze Silhouette vor dem silbern schimmernden Spiegel des Meeres, der sich jenseits der Pfahlbauten des Hafens in die Unendlichkeit zu erstrecken schien. Vom Wald her trieb zäher Nebel über die Landzunge auf die Stadt zu. Ein Schwarm Nachtflügel glitt durch die Dunkelheit, angelockt vom Feuer der Seetürme, die auf den Spitzen der Felsenbuhnen weit draußen in die sternenbesäte Finsternis aufragten und den Schiffen den Weg wiesen. Ein Schatten bewegte sich vor der hellen Janansteinmauer des Siebengartens, ein zweiter gesellte sich hinzu, verschmolz mit dem ersten. Der Wind trug ein leises Flüstern bis zu ihr herauf, dann schob sich eine Wolke vor den Mond, und als sie vorbeigezogen war, waren auch die Schatten fort.
    Darejan presste die Stirn auf die Knie. Seloran wollte sie verheiraten! Und das auch noch an einen vollkommen Fremden, von dem sie nicht mehr wusste, als dass er ein abtrünniger Jarhaal war, der jenseits des Windmeeres sein Glück gemacht hatte und nun als mächtiger Kriegerfürst nach Oreádon zurückkehrte. Groß und schlank sollte er sein, ein dunkelhaariger Mann mit hellen Augen– und der Herr dieser unheimlichen Grauen Krieger, von denen immer mehr in den Mauern Kahels auftauchten und die er ihrer Schwester sozusagen als Vorhochzeitspräsent schon jetzt überlassen hatte. Binnen der nächsten Mondhälfte erwartete Seloran ihn hier. Darejan schloss die Augen. Dabei hat es ihre Schwester noch nicht einmal interessiert, ob sie überhaupt heiraten wollte. Oder ob sie nicht vielleicht schon in einen anderen Mann verliebt war.
    Sie hatte Seloran gefragt, warum nicht sie selbst diesen Fremden zum Gemahl nahm. Das Lachen ihrer Schwester klang noch immer in ihren Ohren. Da sie die Königin der Korun war, hatte Seloran ihr erklärt, konnte sie nicht unter ihrem Stand heiraten, so mächtig der Mann auch sein mochte. Vor allem, da er obendrein aus einem der Völker stammte, mit denen sie bald im Krieg liegen würden– auch wenn er sich schon vor einem halben Leben von ihm losgesagt hatte.
    Ärgerlich wischte sie sich die Tränen aus den Augen. Also ruinierte sie Darejans Leben für ein Bündnis. Als wäre sie eine Zuchtstute, die sie an den Meistbietenden verkaufen konnte. Sie ballte die Fäuste in die Seide ihres Gewandes. Noch nie zuvor hatte sie sich so verraten gefühlt.
    Irgendwo bellte ein Hund, ein Zweiter fiel ein, dann ein dritter, vierter. Darejan lehnte die Stirn gegen das geschliffene Glas des Fensters und blickte wieder in den Hof hinunter. Fahle Nebelfäden wandten sich über den Boden, schimmerten gespenstisch, wenn sie in das Licht des Mondes gerieten. Das Gebell wurde schriller und endete jäh in einem Winseln, das schließlich auch verstummte.
    Ein gellender Schrei erklang auf dem Korridor. Sie sprang auf, wollte zur Tür, als diese schon aufgerissen wurde. Die

Weitere Kostenlose Bücher