Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
Vom Netzwerk:
wahrscheinlich die Tochter eines wohlhabenden Bürgers, und mit mir, einem Fremden aus einem der nördlichen Völker, gesehen zu werden, könnte euren Ruf gefährden. Verzeiht. Das lag nicht in meiner Absicht. « Er verneigte sich leicht. » Wollt ihr dann so freundlich sein und mir erklären, wie ich ins Jewan-Viertel komme? «
    Im Feuer barst ein Ast mit einem lauten Knall und ließ Darejan zusammenzucken. Neben ihr musterte Niéne sie unter gerunzelten Brauen heraus, ehe sie sich schließlich erhob.
    » Vielleicht ist es das Beste, wenn ich euch mit ihm allein lasse. Ruft, wenn sein Zustand sich ändert oder ihr etwas braucht « , sagte sie, nachdem sie einen Augenblick nachdenklich auf sie hinabgesehen hatte. Offenbar erwartete sie keine Antwort, denn sie wandte sich ab und ging zu dem Feuer der Isârden hinüber.
    Einen Moment blickte Darejan ihr über die knisternden Flammen hinweg nach, dann kehrte ihr Blick zu dem Gesicht des Mannes in ihrem Schoß zurück. Still beobachtete sie das Zucken der Schatten auf seinen Zügen, hoffte in ihnen die Antworten auf ihre Fragen zu finden. Es war, als hätte jemand unvermittelt eine Tür in ihrem Geist aufgerissen, von der sie zuvor nicht gewusst hatte, dass es sie überhaupt gab. Nur ein schwacher Lichtschein fiel in die Dunkelheit hinter dieser Tür. Nur ein paar Spannen weit. Nicht genug, um zu erkennen, was sich noch dahinter verbarg.
    Sie beugte sich über ihn, lehnte ihre Stirn gegen seine. » Wach auf! Bitte, wach auf und hilf mir, mich an dich zu erinnern! « , flüsterte sie und schloss die Augen, lauschte auf das Zischen und Knacken des Feuers. Wie lange sie so dasaß, konnte sie nicht abschätzen. Sie fror, obwohl die Nacht warm war. Und auch die Hitze der Flammen reichte nicht aus, die Kälte in ihrem Inneren endgültig zu vertreiben. Irgendwann räumte sie die heißen Steine auf der einen Seite des DúnAnór fort und legte sich unter der Decke neben ihn. Den Kopf auf seine Schulter zu betten, fühlte sich entsetzlich vertraut an. Ihre Hand schmiegte sich wie von selbst auf seine Brust, die sich unter ruhigen, gleichmäßigen Atemzügen dehnte. Sein Körper war auch nicht länger kalt. Wärme schien nach und nach in seine Glieder zurückzukehren. Die Kälte in ihrem Inneren erschien Darejan jetzt beinah erträglich.
    Sacht strich sie den Verband über seiner Brust glatt, folgte versonnen mit den Fingern den dunklen Linien, die darunter hervorkamen, und wusste plötzlich, dass sie das nicht zum ersten Mal tat.
    Der Sand unter ihr war warm. Das harte Dünengras raschelte im Wind. Ihre Fingerspitzen zeichneten sacht die ockernen Runenlinien auf seiner Brust nach, bis seine Hand sie aufhielt.
    » Du spielst mit dem Feuer, Hexe. « Die Worte klangen gepresst. Für einen Herzschlag hielt sie den Atem an, wie jedes Mal, wenn er ohne es zu ahnen der Wahrheit über sie so nahe kam. Mit möglichst unschuldigem Blick hob sie den Kopf von seiner Schulter.
    » Tue ich das? «
    Er knurrte. » Ja. Und wenn du nicht damit aufhörst, bin ich nicht mehr für das verantwortlich, was ich dann mit dir tue. «
    Mit einem herausfordernden Lächeln legte sie die Wange zurück auf seine warme Haut und folgte den Runenlinien abwärts.
    Sie zwang sich dazu, ihre Hand auf seiner Brust stillzuhalten, presste die Lider zusammen und versuchte verzweifelt, mehr Licht durch die Tür in ihrem Geist fallen zu lassen.
    Als sie am Morgen erwachte, ruhte ihr Kopf auf der Schulter des DúnAnór. Seine Augen waren geöffnet, und obwohl sie noch immer ins Nichts starrten, waren sie dennoch nicht mehr länger leer und ohne Leben. Vielmehr schien es Darejan, als würden sie sich bemühen, durch die grauen Nebel des Schleiers hindurch die Schatten der Wirklichkeit wahrzunehmen. Doch dann senkten sich seine Lider wieder, und sie konnte nur mit Mühe die Welle der Verzweiflung zurückdrängen, die über ihr zusammenzubrechen drohte. Er kam zurück. Auch wenn er immer noch zu tief im Schleier gefangen war, um tatsächlich zu erwachen.
    Sie schloss die Augen. In ihrem Kopf saß jener vertraute, dumpfe Schmerz. Die wenigen Stunden Schlaf hatten ihr keine Erholung gebracht. Düstere Träume hatten sie gequält, in denen silberne Augen sie zornig und zugleich voller Qual anstarrten. Träume, die so wirklich schienen, dass sie beinah die Decken zurückgeschlagen und nach Blut auf seinen Händen gesucht hätte. Träume, in denen eine Stimme von Vergessen raunte, während eine andere sie Mörderin hieß und sie

Weitere Kostenlose Bücher