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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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fragte sie in dem gleichen Flüsterton, in dem auch er gesprochen hatte.
    Javreen wäre beinah in Gelächter ausgebrochen. Er unterdrückte den Laut nur mit Mühe. Sie ahnte offensichtlich noch nicht einmal, wer da saß, geschweige denn, was er zu tun beabsichtigte. » KaîRón verleiht sein Boot nicht « , erklärte er ihr leise– und sah, wie ihre Augen sich weiteten, Begreifen in ihrem Blick aufflammte. Einen Moment starrte sie ihn mit offenem Mund an. » Du meinst, das ist… Und du willst… « Sie räusperte sich und beugte sich vor. » Das ist KaîRón, der Fährmann der Toten, und du willst sein Boot stehlen ? « , zischte sie.
    » Der Schwarze Fluss trägt nur dieses eine Boot. Was sollen wir deiner Meinung nach ansonsten tun? Schwimmen? « , zischte er zurück.
    » Ihn fragen, ob er uns übersetzt! «
    Um ein Haar hätte er jetzt doch gelacht. » KaîRón setzt nur die Toten über, und zu denen zählen wir noch nicht! Wir haben keine andere Wahl! «
    Darejan schnaufte und bedachte ihn mit einem schmalen Blick aus ihren dunklen, blaugrün schillernden Augen. Es verblüffte ihn ein wenig, dass er ihre Farbe an diesem Ort erkennen konnte. » Und wie willst du das anstellen? « , fragte sie noch immer zischend.
    Er bedeutete ihr, ihm zum Wasser zu folgen.

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    A ls er einige Zeit später lautlos zum Ufer zurückschwamm, waren seine Glieder so kalt, dass er sie kaum noch spürte. Sie waren im Schutz der Felszunge ein Stück weit hinausgeschwommen, bis sie sicher sein konnten, dass die Gestalt am Ufer sie unter den dahintreibenden Nebelschwaden nicht mehr bemerken würde. Dann hatte er sich auf den Weg zurück gemacht, direkt auf KaîRón und das Boot zu, langsam und darum bemüht, keine Wellen zu verursachen. Eigentlich hatte Rejaan ihn begleiten wollen, doch er hatte sie davon überzeugen können, dass ein einzelner Schwimmer weniger leicht entdeckt wurde. Nun wartete sie dort draußen auf ihn. Und wenn ihr nur halb so kalt war wie ihm, sollte er sich beeilen.
    Dass die Bucht bis weit ins Wasser hinaus flach auslief, machte es ihm nicht unbedingt leichter. Er war noch etliche Schritt vom Ufer entfernt, als seine Knie zum ersten Mal auf Sand stießen. Ihm blieb nichts anderes, als die Hände in den weichen Boden zu graben und sich so weiter an das Ufer heranzuziehen. Dabei war er darauf bedacht, dass sich das Boot zwischen ihm und KaîRón befand, sodass die schwarzen Planken ihm Deckung boten. Und dennoch hatte er die ganze Zeit das Gefühl, als würde der Wächter des Flusses und Fährmann der Toten zu ihm herüberblicken. Das Gefühl verstärkte sich, als er den Bug des Bootes erreicht hatte. Ein raues, von schwarzen Algen behangenes Tau war um den Bugsteven geknotet und führte zum Ufer hin. Es hing locker durch und tauchte immer wieder in das schwarz spiegelnde Wasser. Doch um es zu lösen, musste er sich ein Stück aus dem Wasser recken und seine Deckung aufgeben. Seine Finger waren vor Kälte steif und gefühllos. Einen Augenblick fummelte er nutzlos an dem Knoten herum, dann schaffte er es, die erste Schlinge zu lockern. Das Boot schaukelte stärker auf der bis eben glatten Oberfläche. Wellen spülten höher auf den Strand. Verbissen machte er weiter. Die zweite Schlinge löste sich, das Tau glitt ab und fiel ins Wasser. Ein hastiger Blick zum Ufer hin offenbarte ihm, dass KaîRón den Kopf gehoben hatte. Und obwohl seine Augen unter der Kapuze verborgen waren, schienen sie auf Javreen gerichtet zu sein. Im nächsten Lidschlag stand der Wächter des Flusses direkt am Wasser, ohne dass er sich bewegt hätte. Wie lauschend neigte KaîRón den Kopf. Eine schlanke, halb in einem weiten Ärmel verborgene Hand hob sich. Schmerz wie ein Messer aus Eis schnitt in seine Brust, dort, wo die zerstörte Rune über seinem Herzen war, grub sich tiefer. Er krümmte sich mit einem Schrei, wäre beinah vornüber ins Wasser gekippt. Draußen auf dem Fluss erklang ein leises Plätschern. Vielleicht Rejaan, die seinen Schrei gehört hatte. Der Schmerz verschwand so schnell, wie er gekommen war. Zurück blieb ein kaltes Brennen.
    › Sie haben gesagt, du würdest kommen, als ich sie übersetzte. Sie warten auf dich. ‹
    Eine Stimme direkt in seinem Kopf, die ihn lähmte. So unvermutet, seit er mit der Leere nach Cjars Tod leben musste. Dabei klang sie weder bedrohlich noch unangenehm. Doch dass sie vollkommen ohne jedes Gefühl war, ließ seinen Mund trocken werden. Mit einem Ruck hob er den Kopf. Schwerfällig stand er

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