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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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haben.
    Es war Darejan, die schließlich das Schweigen brach. » Der Mond ist kaum weiter gewandert. Wie spät es wohl sein mag? « Ihre Stimme klang gespenstisch über dem Wasser des Schwarzen Flusses.
    » Zeit hat hier keine Bedeutung. Für die Seelen ist an diesem Ort ebenso eine Ewigkeit vergangen wie ein Augenblick. Nur wir empfinden sie noch, weil wir noch nicht tot und damit nach wie vor an sie gebunden sind. « Javreen hielt die Stake im Wasser fest. Nebelwirbel tanzten über die Wellen, die er damit verursachte, und vermischten sich mit dem feinen grauen Dunst, der seit Kurzem über der schwarzen Oberfläche trieb. Es gab hier nichts, was ihm den Weg ans andere Ufer hätte weisen können. Er konnte sich nur auf sein Gefühl verlassen. Und den vagen Verdacht, dass das Boot unter ihnen ein ebenso seltsames Eigenleben in sich trug wie die Ruderstange in seinen Händen. » Der Mond wird weiterwandern. Langsamer, als wir es erwarten, aber er wird seinen Zenit erreichen. Und bis dahin wird er sich rot färben. Heute Nacht wird ein Seelenmond am Himmel stehen. Spätestens dann müssen wir zurück in der Welt der Lebenden sein. «
    Sie löste ihre Arme ein wenig von ihren angezogenen Beinen und sah zu ihm auf. » Warum? «
    » Wenn es mir gelingt, Ahorens Seele dann in den KonAmàr zu zwingen, wird er sich ohne fremde Hilfe nicht wieder befreien können. Ein Wechsel, der unter einem Seelenmond vollzogen wird, ist der einzige, der wirklich dauerhaft ist. «
    » Deshalb wollte er auch bis heute Nacht warten, ehe er… ehe… « Sie stockte.
    » Ja « , beantwortete er, was sie nicht hatte aussprechen können. Einen Moment blickte er auf sie hinab und fragte sich erneut, ob er ihr trauen konnte. Er wollte ihr trauen, wollte es von ganzem Herzen. Aber es stand zu viel auf dem Spiel, dass er es sich erlauben konnte, nur auf sein Herz zu hören, wenn sein Verstand noch Zweifel hegte. Wenn sie selbst glaubte, ihn verraten zu haben.
    Darejan hatte die Arme wieder fester um ihre Beine geschlungen und schaute auf das schwarz spiegelnde Wasser. Einige Augenblicke wartete Javreen darauf, dass sie noch etwas sagen würde, doch als sie schwieg, sprach er. » Ich verstehe nicht, warum du dich auch nicht erinnern konntest. Zumindest nicht an mich und Cjar. «
    In einer zögerlichen Bewegung strich sie sich das nasse Haar über die Schulter zurück, ehe sie zu ihm aufsah. » Ich erinnere mich daran, dass ich in meinem Zimmer war. Seloran saß neben mir auf dem Bett. Ich war zu schwach, mich zu bewegen. In meinem Kopf war eine Stimme, die mir Vergiss ihn! befahl. Dann war da nur noch Schmerz. « Nachdenklich neigte sie den Kopf. » Ich weiß nicht genau, wie es möglich war, aber ich glaube, Ahoren hat mir meine Erinnerungen an dich genommen. Oder es zumindest versucht. Sie kamen erst wieder, nachdem ich irgendwie an Mirijas Stelle in den Schleier geraten bin, als sie versucht hat, dich daraus zurückzuholen. «
    » Warum hast du mir nichts davon erzählt? « Er ließ die Stange erneut im Wasser und wischte sich die kalten Hände nacheinander an seinem nassklammen Hemd ab. Die zerstörte Rune über seinem Herzen brannte kalt.
    » Ich weiß nicht. Vielleicht… Vielleicht weil ich es selbst nicht glauben konnte? Vielleicht hatte ich auch Angst, dass du mir nicht glauben würdest. Wieso hättest du es auch tun sollen? « , fröstelnd rieb sie sich die Schultern. » Du warst immer so wütend und feindselig… Du hättest mir ohne Beweise niemals geglaubt. Vor allem, da du dachtest, ich sei eine Mörderin. « Sie wandte das Gesicht ab. » Was ich ja offenbar bin. «
    Er hätte gerne etwas dagegen gesagt, ihr irgendwie widersprochen, doch er schwieg. Solange er sich nicht an das erinnern konnte, was wirklich geschehen war, würde jedes Wort hohl und ohne Bedeutung sein.
    Für eine ganze Weile kehrte das Schweigen schwer und kalt zurück. Fahler, undurchdringlicher Nebel hatte sich über der dunklen Oberfläche ausgebreitet. Angespannt ließ Javreen die Ruderstange in das Wasser eintauchen und holte sie wieder daraus empor. Zuweilen glaubte er, trügerische Schatten in dem bleichen Grau zu sehen. Doch wenn der Bug des Bootes durch den Nebel schnitt, teilte er sich, und dort, wo eben noch ein Schatten gewesen war, lag das Wasser schwarz und glatt vor ihnen. Er war noch nie auf diesem Weg auf die andere Seite des KaîKadin gelangt, aber er war sich sicher, dass das andere Ufer nicht mehr allzu weit entfernt sein konnte.
    » Javreen? «

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