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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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seiner wirren dunklen Mähne die Wasseroberfläche berührten.
    » Lass mich dir helfen! « Obwohl sie leise und freundlich gesprochen hatte, fuhr er so jäh zu ihr herum, dass sie einen Moment lang fürchtete, er würde in den Bach fallen. Dann hatte er sein Gleichgewicht wiedergefunden, das Erschrecken verschwand aus seinen Augen und machte Misstrauen und Feindseligkeit Platz. Langsam trat Darejan auf ihn zu, kauerte sich neben ihn. » Lass mich das machen. « Sie griff nach dem Stofffetzen. Seine Finger überließen ihn ihr nur widerstrebend. Weiche Adeshwolle. Er musste ein Stück von seinem Hemd abgerissen haben. Ohne ihn anzusehen, tauchte sie den Fetzen in das klare, kühle Wasser und wusch behutsam die Wunde auf seiner Brust. Er zuckte unter ihrer Berührung zusammen, hob die Hände, wie um sie von sich zu stoßen, hielt dann aber still. Sie war sich nur zu bewusst, dass er jede ihrer Bewegungen angespannt verfolgte.
    » Der Schnitt sieht schon viel besser aus! Die Entzündung geht zurück. « Ein Stück Schorf löste sich. Darejan pflückte es von seiner Haut, tauchte den Lappen erneut in den Bach und machte weiter. » Und ich glaube, auch dein Fieber ist gesunken. « Sie sah auf, begegnete seinem gefährlich schmalen Blick. Noch immer stand Misstrauen darin, aber da waren auch die trüben Schleier von Müdigkeit und Schwäche. Er blinzelte ein paar Mal, als bemühe er sich, durch sie hindurchzublicken, schaute dann zur Seite. In der Bewegung blitzen seine Edelsteintätowierungen. » Ich habe ein bisschen hartes Brot und Fleisch. « Darejan wandte sich wieder seiner Brust zu, wrang den Stofffetzen ein letztes Mal aus und tupfte sanft die Nässe von seiner Haut. » Hast du Hunger? « Schweigen antwortete ihr. Sie hatte nichts anderes erwartete. Als sie aufsah, begegnete sie wieder seinen Silberaugen. Scharfe Falten zerschnitten seine Stirn. Er musterte sie voller Argwohn– und etwas anderem. Ganz langsam schlossen seine Hände sich zu Fäusten. Erschrocken wich Darejan zurück. Sie hatte gesehen, wie er den Soldling mit einem einzigen Schlag getötet hatte. Wenn er sie angreifen würde… Er presste die Fäuste gegen die Schläfen, krümmte sich vornüber. Einen Moment blickte sie auf ihn hinab, dann beugte sie sich langsam und unter beruhigendem Murmeln zu ihm, hob sein Hemd vom Boden auf, ergriff sein Handgelenk und wollte ihn auf die Füße ziehen– und erstarrte. Ein Ring aus kaltem Eisen unter ihren Fingern, eine Hand, nass vom Meerwasser, die sich um ihr Gelenk schloss und ihren Sturz abrupt beendete. Er? Erschrocken suchte sie seinen Blick. Leer und verhangen starrten seine Augen an ihr vorbei. Zittrig holte sie Atem. Sie hatte nicht mehr gesehen als einen Schatten, der sich über die Reling der Tänzerin lehnte. Es war gar nicht möglich, dass er– ausgerechnet in diesem Moment– so weit bei Verstand gewesen sein sollte, um zu begreifen, dass es ihren Tod bedeutet hätte, wenn sie ins Meer gestürzt wäre.– Aber auch als die Soldlinge und die Grauen Krieger sie am Strand angriffen, hatte er überraschend vernünftig, ja beinah berechnend reagiert. Und als er ihr das Schwert abgenommen hatte… Gab es in seinem Wahnsinn zuweilen kurze Momente der Klarheit? Hatte sie bei diesen Gelegenheiten einen Blick auf den Mann erhascht, der er früher gewesen war? Ein Krieger, kalt, tödlich– und rücksichtslos? Ein DúnAnór, gnadenlos und nur sich selbst Gesetz; niemandem Rechenschaft schuldig außer seinem Orden? War es so, wie Fren gesagt hatte? War er tatsächlich als Henker geschickt worden, um Seloran zu töten? Sie versuchte, in seinen Augen zu lesen, aber da war nichts außer Teilnahmslosigkeit und Schatten. Abermals zog Darejan an seinem Handgelenk. Langsam und wankend stand er auf, folgte ihr widerstandslos zurück zu der Dierenzeder, wo er neben dem Stamm auf den Boden sank. Darejan gab ihm den Rest Blauflechtentee und strich wieder Travankrautblättersaft auf seine Wunde, ehe sie ihm half, das Hemd anzuziehen. Seine Bewegungen waren steif und unbeholfen. Offensichtlich bereitete es ihm Schmerzen, die Arme weiter als bis in Schulterhöhe zu heben. Schließlich war es geschafft und sie reichte ihm Brot und Fleisch, ehe sie sich daran machte, das Pferd zu satteln. Die ganze Zeit über glaubte sie seinen Blick im Rücken zu spüren. Doch als sie sich schließlich zu ihm umwandte, war sein Kopf gegen den Baumstamm gesunken. In seinen Augen war noch immer jener verhangene, leere Ausdruck. Er hatte

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