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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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kaum noch erkennen konnte. Auf keiner von ihnen waren die GônCaidur verzeichnet. Magister Joselen brachte ihr einige Zeit nach Mittag einen frischen Krug Tee, zusammen mit dunklem Brot und einer großen Ecke würzigen Käse– und einen weiteren Stapel Karten, die um einiges älter waren als die, auf denen sie schon zuvor gesucht hatte. Irgendwann war der Verrückte wieder zu sich gekommen. Lange Zeit hatte er reglos am Boden gekauert, die Arme um sich selbst geschlungen, zuweilen die Finger in seinen wirren Schopf gekrallt und starr geradeaus geblickt. Doch seine Augen waren nicht wie sonst trüb und blicklos, als sie ihm Käse, Brot und Tee gab. In ihren silbernen Tiefen war etwas gewesen… Das und die Art, wie er sie voll kaum beherrschter Wut angesehen hatte, hatte sie Schaudern lassen. Darejan war geradezu erleichtert gewesen, als er sich schließlich wieder in Magister Joselens Decke gewickelt und mit dem Gesicht zur Wand erneut in der Ecke zusammengekauert hatte, jedoch ohne Brot und Käse auch nur anzurühren. Den Tee allerdings hatte er mit der gleichen Gier in sich hineingeschüttet wie einige Stunden zuvor das Bier.
    Nur zögernd war sie zu den Karten zurückgekehrt, hatte sich aber erst wieder auf die blassen Linien konzentrieren können, nachdem seine gleichmäßigen Atemzüge sie annehmen ließen, dass er eingeschlafen war.
    Ihre Augen brannten, als aufgeregtes Geschrei, das selbst durch das geschlossene Fenster zu hören war, sie von einer besonders alten und brüchigen Karte aufschauen ließ. Zu ihrem Erstaunen loderte das Feuer im Kamin heller, und jemand hatte einen mehrarmigen Kandelaber neben den Tisch gerückt, damit sie ausreichend Licht hatte. Draußen zog bereits die Dämmerung herauf. Sie war so sehr in die Karten vertieft gewesen, dass sie es nicht bemerkt hatte. Ein gellendes Wiehern durchschnitt das Geschrei, gleich darauf erklang ein Rumpeln und Krachen. Darejan stand auf und ging zum Fenster. Männer schrien und rannten durcheinander, zum Teil mit Seilen und Stöcken bewaffnet. Zwei große, dunkle Schatten bewegten sich zwischen ihnen, wichen ihnen immer wieder aus. Offenbar waren ein paar Pferde ausgebrochen. Seltsamerweise war kein Hufschlag zu hören. Das größere der beiden Tiere bäumte sich vor einem der Männer auf und Darejan erkannte den CayAdesh-Hengst. Im nächsten Moment wirbelte er gefährlich auskeilend herum, preschte aus dem Stand los, und dann waren er und die Stute im Schatten einer kleinen Gasse verschwunden. Die Männer machten sich unter lautem Rufen an die Verfolgung. Für den Augenblick mochten die beiden frei sein, aber vermutlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sie auf ihrer Flucht in eine Sackgasse geraten und wieder eingefangen werden würden. Eben wollte sie sich wieder den Karten zuwenden, als sie auf der anderen Seite der Pferche eine Gestalt gewahrte. Sie stutzte, beugte sich vor, um besser sehen zu können, und blickte hastig in die inzwischen dunkle Ecke neben dem Kamin. Gleich darauf hetzte sie die gewundene Treppe hinunter, rannte beinah einen verdutzen Magister Joselen über den Haufen und stürmte aus dem Haus der Karten und quer über den Platz. Er stand noch immer dort, wo sie ihn vom Fenster aus in den Schatten einer engen Gasse gesehen hatte. Mit einem Fauchen packte sie ihn am Arm, zerrte ihn ein Stück weiter in das Zwielicht zwischen den Häusern und stieß ihn rücklings gegen die Mauer.
    » Verdammt, bist du… « Sie schluckte das » verrückt « herunter, ergriff ihn stattdessen an seinem Hemd und zerrte daran. Seine Silberaugen wandten sich ihr nur langsam zu. » Was hast du dir dabei gedacht? Weißt du, was du da getan hast? Wenn sie dich erwischt hätten. Verdammt, du Narr, hast du überhaupt eine Vorstellung, was man mit einem Pferdedieb macht? «
    » Man schleift ihn an den Füßen durch die Stadt und hängt ihn anschließend auf « , erklärte eine Stimme vom Eingang der Gasse her. Darejan fuhr herum. Im schwindenden Abendlicht erkannte sie die Silhouetten von zwei Männern, die sich ihnen gelassen näherten. Sie unterdrückte einen Fluch, fasste den Verrückten an der Hand und wollte ihn in die andere Richtung zerren. Ihr Schritt stockte, als auch von dieser Seite mehrere Gestalten auf sie zukamen.
    » Das Pferd zu behalten, war ein Fehler « , erklang die Stimme erneut hinter ihr. Schlagartig wurde Darejan klar, dass diese Männer nicht wegen der CayAdesh-Rösser hier waren. Die Hände zu Fäusten geballt, drehte sie sich

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