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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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zerstören, kann ich mir absolut nicht vorstellen, dass jemand namens Pooka den Hebel einer Höllenmaschine umlegt.
    Die Yings gehen regelmäßig in St. Bartholomew zur Messe. Er ist Mitglied einer katholischen Laienorganisation, sie arbeitet zehn Stunden pro Woche im kirchlichen Gebrauchtwarenladen.
    Auch ins Kino gehen die Yings oft, wobei Ernie als besonders sentimental bekannt ist. Er weint bei Todesszenen, Liebesszenen und patriotischen Szenen. Einmal hat er sogar geweint, als Bruce Willis unerwartet einen Schuss in den Arm abbekommen hat.
    In den drei Jahrzehnten ihrer Ehe haben sie nicht nur zwei Waisenkinder adoptiert und aufgezogen, sondern sich auch Jahr für Jahr sorgfältig um den Baum des Todes gekümmert. Sie haben ihn gewässert, beschnitten und besprüht, um ihn vor Spinnmilben und Schildläusen zu schützen. Sie haben sogar die rückwärtige Veranda vergrößern lassen und so möbliert, dass sie beim Frühstück und an warmen Wüstenabenden zusammensitzen können, um dieses großartige, wenn auch tödliche Werk der Natur aus verschiedenen Blickwinkeln zu bewundern.
    Um nicht von den Mitarbeitern diverser Behörden gesehen zu werden, die in den verbleibenden Nachtstunden das Haus von Dr. Jessup aufsuchen mochten, trat ich durch das Tor im Lattenzaun der Yings. Weil es unhöflich gewesen wäre, ohne
Einladung auf der Veranda Platz zu nehmen, hockte ich mich unter die Engelstrompete.
    Der Achtjährige in mir überlegte, ob das Gras wohl vom Baum stammendes Gift aufgesogen hatte. Wenn die Konzentration stark genug war, drang das Zeug womöglich durch meinen Hosenboden.
    Mein Handy läutete.
    »Hallo?«
    Eine Frauenstimme sagte: »Tag!«
    »Wer spricht da?«
    »Ich.«
    »Sie haben sich wohl verwählt.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Ich bin enttäuscht«, sagte sie.
    »So was kommt vor.«
    »Kennst du die erste Regel?«
    »Wie schon gesagt …«
    »Man kommt allein«, unterbrach sie mich.
    »… Sie haben sich verwählt.«
    »Ich bin so enttäuscht von dir.«
    »Von mir?«, fragte ich.
    »Ganz recht.«
    »Weil ich nicht der bin, den Sie sprechen wollten?«
    »Das ist ja läppisch«, sagte sie und legte auf.
    Die Rufnummernanzeige war deaktiviert. Auf meinem Display war keine Nummer erschienen.
    Die Revolution der Telekommunikation, von der heutzutage so oft die Rede ist, erleichtert die Kommunikation eben nicht immer.
    Ich betrachtete mein Handy und wartete darauf, dass die gute Frau sich erneut verwählte, aber das Ding klingelte nicht. Nach einer Weile klappte ich es zu.

    Der Wind schien in einem Abfluss im Boden der Wüste verschwunden zu sein. Über den reglosen Zweigen der Engelstrompete, die Blätter, aber bis zum Frühling keine Blüten trug, funkelten am hohen Gewölbe der Nacht die Sterne. Der Mond war mit mattem Silber überzogen.
    Als ich auf meine Armbanduhr schaute, stellte ich überrascht fest, dass es erst drei Uhr siebzehn war. Ganze sechsunddreißig Minuten waren vergangen, seit ich aufgewacht war und Dr. Jessup in meinem Schlafzimmer vorgefunden hatte.
    Offenbar war ich völlig durcheinander, denn ich hatte angenommen, es müsse bald der Morgen dämmern. Statt meine Uhr schachmatt zu setzen, hatten die fünfzigtausend Volt mein Zeitgefühl durcheinandergebracht.
    Wenn die Zweige nicht so viel vom Himmel verdeckt hätten, dann hätte ich versucht, Kassiopeia zu finden, ein Sternbild, das eine besondere Bedeutung für mich hat. In der antiken Mythologie ist Kassiopeia die Mutter von Andromeda.
    Eine andere Cassiopeia , die keinen mythischen Charakter hatte, war die Mutter einer Tochter, der sie den Namen Bronwen gab. Bronwen ist der feinste Mensch, dem ich je begegnet bin und begegnen werde.
    Wenn das Sternbild Kassiopeia am Himmel steht und ich es identifizieren kann, fühle ich mich weniger allein.
    Das ist zwar keine vernünftige Reaktion auf eine Ansammlung von Himmelskörpern, aber das Herz kann nicht nur von Logik leben. Unvernunft ist eine unentbehrliche Medizin, solange man keine Überdosis davon nimmt.
    Ein Polizeiwagen kam den Fahrweg entlang und hielt vor dem Gartentor. Seine Schweinwerfer waren ausgeschaltet.
    Ich erhob mich von dem Gras unter dem Baum des Todes. Falls meine Hinterbacken vergiftet waren, so waren sie zumindest noch nicht abgefallen.

    Während ich mich auf den Beifahrersitz setzte und die Tür zuzog, fragte Chief Porter: »Na, wie geht’s deiner Zunge?«
    »Wieso?«
    »Juckt sie noch?«
    »Ach so. Nein. Das Jucken hat aufgehört. Ist mir

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