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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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noch physisch so verwundbar war wie vor siebzehn Jahren, war er Simon Makepeace nicht gewachsen. Er konnte sich nicht wehren.
    »Fahren wir mal durch Camp’s End«, schlug ich vor.
    Camp’s End ist ein verwahrlostes, heruntergekommenes Viertel, wo helle Träume sterben, während nur zu oft dunkle Träume geboren werden. Andere Scherereien hatten mich mehr als einmal auf seine Straßen geführt.
    Während der Chief aufs Gas trat und das Lenkrad konzentrierter fasste, sagte ich: »Wenn es Simon war, wird er sich nicht lange mit Danny abgeben. Ich wundere mich, dass er ihn nicht schon im Haus umgebracht hat, zusammen mit Dr. Jessup.«
    »Wieso meinst du das?«

    »Simon hat nie richtig akzeptiert, einen Sohn mit einem angeborenen Defekt gezeugt zu haben. Aus seiner Sicht war das ein Hinweis, dass Carol ihn betrogen hatte.«
    »Das heißt, jedes Mal, wenn er Danny ansieht …« Diesen Gedankengang brauchte der Chief nicht zu vollenden. »Der Junge ist zwar ein Klugscheißer, aber ich hab ihn immer gemocht. «
    Auf seinem Weg nach Westen war der Mond gelb geworden. Bald war er vielleicht orange wie eine zur Unzeit angezündete Kürbislaterne.

7
    Selbst Straßenlaternen mit von der Zeit vergilbtem Glas und selbst Mondlicht waren nicht in der Lage, einen romantischen Schleier auf den zerbröckelnden Gips, die verzogenen Fassadenbretter und die abblätternde Farbe der Häuser von Camp’s End zu legen. Ein Verandadach hing schief herab. Ein im Zickzack befestigter Klebestreifen bandagierte eine Wunde in Fensterglas.
    Während ich auf Inspiration wartete, lenkte Chief Porter den Wagen durch die Straßen, als würde er einfach nur Streife fahren.
    »Seit du nicht mehr im Grill arbeitest, wie verbringst du da deine Zeit?«
    »Ich lese ziemlich viel.«
    »Bücher sind ein Segen.«
    »Außerdem denke ich wesentlich mehr nach als früher.«
    »Ich würde nicht empfehlen, zu viel nachzudenken.«
    »Ins Grübeln artet es schon nicht aus.«
    »Manchmal artet es schon aus, wenn man einfach nur nachdenkt. «
    Neben einem Rasen voller Unkraut breitete sich ein toter Rasen aus, gefolgt von einem Vorgarten, dessen Rasen schon lange durch feinen Kies ersetzt worden war.
    Die Bäume in diesem Viertel waren nur ausnahmsweise von gelernten Gärtnern beschnitten worden. Was nicht durch
schlechtes Stutzen für immer verunstaltet worden war, hatte man einfach ungehindert wachsen lassen.
    »Ich wünschte, ich könnte an Wiedergeburt glauben«, sagte ich irgendwann.
    »Ich nicht. Einmal die Straße lang ist schon Prüfung genug. Egal, ob der liebe Gott mich bestehen oder durchfallen lässt, die Schule des Lebens möchte ich nicht noch mal durchmachen.«
    »Wenn wir etwas in diesem Leben unbedingt haben wollen, aber nicht bekommen, dann könnte es eventuell beim nächsten Mal klappen«, sagte ich.
    »Vielleicht sind wir aber unter anderem gerade deshalb da, um diese Sache nicht zu bekommen, das ohne Bitterkeit zu akzeptieren und dankbar für das zu sein, was wir haben.«
    »Sie haben mir mal gesagt, wir wären hier, um so viel gutes mexikanisches Essen zu verdrücken, wie wir könnten«, erinnerte ich ihn, »und wenn wir genug hätten, sei es Zeit weiterzuziehen. «
    »Ich erinnere mich nicht daran, dass man mir das in der Sonntagsschule beigebacht hätte«, sagte Chief Porter. »Möglicherweise hatte ich zwei oder drei Flaschen mexikanisches Bier intus, als mich diese theologische Erkenntnis überfallen hat.«
    »Es dürfte schwer sein, sich mit einem Leben hier in Camp’s End zufriedenzugeben, wenn man nicht ein wenig bitter ist«, sagte ich.
    Pico Mundo ist eine wohlhabende Stadt. Allerdings reicht noch so viel durchschnittlicher Wohlstand nicht aus, um alles Unglück zu beseitigen, und Trägheit ist unempfänglich für die gebotenen Chancen.
    Wo ein Haus Besitzerstolz erkennen ließ, betonten die frische Farbe, der aufrechte Lattenzaun und die sauber geschnittenen Sträucher nur den Verfall und die Verwahrlosung auf den
angrenzenden Grundstücken. Jede Insel der Ordnung bot keine Hoffnung auf eine allgemeine Verbesserung, sondern wirkte wie ein Damm, der die unabwendbare Flut des Chaos nicht mehr lange würde zurückhalten können.
    Die öden Straßen deprimierten mich, aber obwohl wir eine ganze Weile dort auf und ab fuhren, hatte ich nicht das Gefühl, Danny und Simon näher zu kommen.
    Während wir auf meinen Vorschlag hin ein einladenderes Wohnviertel ansteuerten, sagte der Chief: »Es gibt Schlimmeres als ein Leben in Camp’s End.

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