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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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»Ja?«
    »Tag!«
    Schon an diesem einen Wort erkannte ich die Frau mit der rauchigen Stimme, die mich angerufen hatte, als ich nachts unter der giftigen Engelstrompete im Garten der Yings gesessen hatte.
    »Das sind ja schon wieder Sie.«
    »Richtig.«
    Die Nummer konnte sie natürlich nur erfahren haben, indem sie auf meinem in der Steckdose steckenden Handy angerufen und mit Terri gesprochen hatte.
    »Wer sind Sie?«, fragte ich.
    »Meinst du noch immer, ich habe mich verwählt?«
    »Nein. Wer sind Sie?«
    »Musst du das fragen?«
    »Habe ich das nicht gerade getan?«
    »Du solltest nicht fragen müssen.«
    »Ich kenne Ihre Stimme nicht.«
    »Viele Männer kennen sie sehr gut.«
    Wenn sie nicht ohnehin in Rätseln sprach, dann drückte sie sich zumindest äußerst vage und spöttisch aus.
    »Habe ich Sie schon einmal getroffen?«, fragte ich.
    »Nein. Aber wie steht’s mit deiner Fantasie?«
    »Mit meiner Fantasie?«
    »Ich bin enttäuscht von dir.«
    »Schon wieder?«
    »Immer noch.«

    Mir fielen die Fußspuren im Sand ein. Eine davon hatte von einem Jungen oder einer Frau gestammt.
    Unsicher, was da gespielt wurde, wartete ich.
    Die Frau wartete ebenfalls.
    Zwischen den Dachbalken hatten Spinnen ihre Netze gewoben. Schwarz glänzend hingen sie nun zwischen den fahlen Kadavern der Fliegen und Motten, von denen sie geschmaust hatten.
    »Was wollen Sie?«, fragte ich schließlich.
    »Wunder.«
    »Womit Sie meinen …«
    »Fabelhaft unmögliche Dinge.«
    »Und wieso melden Sie sich da bei mir?«
    »Bei wem sonst?«
    »Ich bin Grillkoch.«
    »Versetz mich in Staunen!«
    »Normalerweise wende ich Fleischklopse.«
    »Eisige Finger«, sagte die Frauenstimme.
    »Was?«
    »Das will ich.«
    »Sie wollen eisige Finger?«
    »An meinem Rücken, bis sich mir die Nackenhaare sträuben.«
    »Dann wenden Sie sich doch an eine Eskimomasseuse!«
    »Wieso?«
    »Wegen der eisigen Finger.«
    Humorlose Leute müssen immer nachfragen, was sie auch tat: »Sollte das ein Scherz sein?«
    »Kein besonders guter«, gab ich zu.
    »Du hältst wohl so ziemlich alles für komisch, was? Bist du so einer?«
    »Nicht alles.«
    »Ganz im Gegenteil, du Arschloch. Lachst du jetzt etwa?«
    »Nein, jetzt nicht.«

    »Weißt du, was ich komisch finden würde?«
    Ich gab keine Antwort.
    »Ich würde es komisch finden, den Arm des kleinen Scheißers mit dem Hammer zu bearbeiten.«
    Über meinem Kopf bewegte sich eine der achtbeinigen Harfenistinnen. Lautlose Arpeggios bebten durch die straffen Saiten aus Spinnenseide.
    »Ob seine Knochen wohl wie Glas zerbrechen werden?«, fragte sie.
    Ich antwortete nicht sofort. Bevor ich den Mund aufmachte, dachte ich nach, dann sagte ich: »Es tut mir leid.«
    »Was tut dir leid?«
    »Es tut mir leid, dass ich Sie mit diesem blöden Witz beleidigt habe.«
    »Kleiner, mich kann man nicht beleidigen.«
    »Da bin ich aber froh.«
    »Ich werde bloß stinksauer.«
    »Es tut mir leid. Ich hab’s nicht so gemeint.«
    »Sei nicht so langweilig«, sagte sie.
    »Bitte tun Sie ihm nicht weh.«
    »Wieso sollte ich das denn nicht tun?«
    »Wieso sollten Sie es tun?«
    »Um zu bekommen, was ich haben will«, sagte sie.
    »Und was wollen Sie?«
    »Wunder.«
    »Vielleicht liegt es an mir, bestimmt sogar, aber ich hab keine Ahnung, was Sie meinen.«
    »Wunder«, wiederholte sie.
    »Sagen Sie mir mal, was ich dafür tun kann?«
    »Dinge, die mich zum Staunen bringen.«
    »Was kann ich tun, um ihn unversehrt wiederzubekommen?«
    »Du enttäuschst mich.«

    »Ich versuche nur, Sie zu verstehen.«
    »Er ist ziemlich stolz auf sein Gesicht, nicht wahr?«, fragte sie.
    »Stolz? Ich weiß nicht recht.«
    »Das ist das Einzige an ihm, das nicht verkorkst ist.«
    Mein Mund war ausgetrocknet, aber nicht, weil es in dem Häuschen heiß und staubig war.
    »Er hat tatsächlich ein hübsches Gesicht«, sagte sie. »Vorläufig. «
    Sie legte auf.
    Die Rufnummernanzeige war deaktiviert, aber ein automatischer Rückruf war vielleicht trotzdem möglich. Ich überlegte, ob ich es versuchen sollte, verzichtete jedoch darauf, weil ich den Verdacht hatte, es könnte ein Fehler sein.
    Obgleich die kryptischen Bemerkungen der Frau keinerlei Licht auf ihre Absichten warfen, schien mir doch etwas klar zu sein. Sie war es gewohnt, die Zügel in der Hand zu haben, und wenn das auch nur im Mindesten infrage gestellt wurde, dann reagierte sie mit Feindseligkeit.
    Da sie sich die aggressive Rolle zugeteilt hatte, erwartete sie von mir, passiv zu sein. Wenn ich

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