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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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sie zurückrief, war sie bestimmt stinksauer.
    Sie war zu Grausamkeiten fähig, das war klar. Wenn ich sie wütend machte, ließ sie das womöglich an Danny aus.
    Der Geruch von Holzfäule. Von Staub. Von etwas Totem und Ausgetrocknetem in einer dunklen Ecke.
    Ich steckte das Handy wieder in die Hosentasche.
    An einem seidenen Faden ließ eine Spinne sich von ihrem Netz herab. Mit zitternden Beinchen drehte sie sich träge in der stillen Luft.

19
    Ich riss den Schließzylinder heraus, stieß die Tür auf und überließ die Spinnen ihren Beutezügen.
    So jenseitig und verstörend war das Kanalsystem gewesen und so gespenstisch das folgende Telefongespräch, dass es mich kaum überrascht hätte, wäre ich über die Schwelle nach Narnia getreten.
    Tatsächlich befand ich mich zwar nicht in einem von Magie beherrschten Land, aber immerhin außerhalb der Stadtgrenzen von Pico Mundo. Auf allen Seiten war ich von dürrem Gestrüpp und öder, steiniger Wüste umgeben.
    Das Häuschen stand auf einer Betonplatte, die doppelt so groß war wie es selbst. Ein Maschendrahtzaun umschloss das Ganze.
    Ich ging an der Einfriedung entlang, um mit den Augen die raue Landschaft abzusuchen, entdeckte jedoch keinen Hinweis darauf, dass ich beobachtet wurde. Es gab auch ringsum keine Stelle, die ein anständiges Versteck bot.
    Da es nicht nötig zu sein schien, mich in das Häuschen zurückzuziehen, um nicht unter Beschuss genommen zu werden, kletterte ich über das Tor.
    In dem felsigen Boden vor mir hatten sich keine Fußspuren bilden können. Ich verließ mich auf meine Intuition und ging nach Süden.
    Die Sonne hatte den Zenit erreicht. Bevor die frühe Winternacht hereinbrach, blieben noch etwa fünf Stunden Tageslicht.
    Im Süden und Westen war der fahle Himmel drei Stufen vom idealen Blau entfernt, als hätte der von der Wüste reflektierte Sonnenschein ihn im Lauf der Jahrtausende allmählich ausgebleicht.
    Dagegen war das nördliche Drittel des Himmels, das hinter meinem Rücken lag, von einer gierigen Masse bedrohlicher Wolken verschlungen worden. Sie waren schmutzig wie vorher, sahen nun jedoch auch noch angeschlagen aus.
    Nach etwa hundert Metern erreichte ich eine kleine Anhöhe und stieg in eine Senke hinab, in deren weichem Boden Spuren entstehen konnten. Tatsächlich befanden sich vor mir wieder die Fußabdrücke der Flüchtigen und ihres Gefangenen.
    Hier hatte Danny den rechten Fuß deutlich stärker nachgezogen als im Tunnel. Das konnte nur heißen, dass er schlimme Schmerzen hatte und verzweifelt war.
    Bei den meisten Opfern von Osteogenesis imperfecta nehmen die Knochenbrüche nach der Pubertät erheblich ab. Danny gehörte zu diesem Kreis.
    Die glücklichsten seiner Leidensgenossen stellen im Erwachsenenalter fest, dass sie nur noch minimal stärker zu Frakturen neigen als Menschen ohne diese Anlage – wenn überhaupt. Was bleibt, ist ein Körper, der von falsch geheilten Stellen und abnormem Knochenwachstum deformiert ist. Manche verlieren durch Otosklerose das Gehör, aber ansonsten sind die schlimmsten Auswirkungen dieses genetischen Defekts für sie Vergangenheit.
    Danny war tatsächlich bei Weitem nicht mehr so empfindlich, wie er es als Kind gewesen war, doch er gehörte zu einer bedauernswerten Minderheit, die auch als Erwachsene vorsichtig bleiben musste. Schon lange hatte er sich nicht mehr zufällig einen Knochen gebrochen wie damals, als er im Alter von sechs Jahren ein wenig zu ungestüm Spielkarten ausgeteilt hatte. Vor
einem Jahr war er jedoch gestürzt und hatte eine Fraktur der rechten Speiche erlitten.
    Einen Moment lang betrachtete ich die Fußspuren der Frau und fragte mich, wer sie war, was sie war und warum sie dies alles tat.
    Ich folgte der Senke etwa zweihundert Meter weit bis zu der Stelle, an der die vier sie verlassen hatten. Dort verschwanden die Spuren auf dem felsigen Untergrund.
    Während ich den Hang hinaufging, läutete wieder das Telefon.
    »Odd Thomas?«, sagte die Frauenstimme.
    »Wer sonst?«
    »Ich hab ein Bild von dir gesehen.«
    »Auf Fotos sehen meine Ohren immer größer aus, als sie es sind.«
    »Du hast den Blick«, sagte sie.
    »Welchen Blick?«
    »Mundunugu.«
    »Ist das ein Wort?«
    »Du weißt, was es bedeutet.«
    »Tut mir leid, aber das weiß ich nicht.«
    »Lügner«, sagte sie, allerdings nicht zornig.
    Ich kam mir vor wie Alice bei der Teegesellschaft des Hutmachers.
    »Willst du den kleinen Scheißer?«, fragte sie.
    »Ich will Danny. Lebendig.«
    »Meinst du, du

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