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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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nicht nur tiefes Schweigen, sondern völlige Stille.
    Ich habe einen leichten Schritt, und da ich nicht besonders schnell gegangen war, atmete ich ganz normal. Wenn sich die kleine Gruppe, der ich folgte, vor mir befunden hätte, so hätte ich sie hören müssen. Es waren jedoch weder verräterische Schritte noch Stimmen zu vernehmen.
    Mehrmals blieb ich stehen und schloss die Augen, um mich ganz aufs Lauschen zu konzentrieren. Ich hörte nur ein tiefes,
hohles Potenzial eines Geräuschs, aber kein Pochen oder Gurgeln, das nicht aus meinem Innern stammte.
    Eine derart vollkommene Stille ließ darauf schließen, dass die vier irgendwo den Tunnel verlassen hatten.
    Wieso, fragte ich mich, hatte Simon wohl einen Sohn gekidnappt, den er nicht wollte, zumal er sich weigerte zu glauben, dass er ihn gezeugt hatte?
    Antwort: Wenn er dachte, Danny stamme von dem Mann ab, mit dem Carol ihn angeblich betrogen hatte, dann verschaffte es ihm womöglich Befriedigung, ihn zu töten. Er war ein Psychopath, dessen Handlungen weder auf Logik noch auf gewöhnlichen Emotionen gründeten. Macht – samt dem Vergnügen, sie auszuüben – und der Wille zu überleben waren seine einzigen Motivationen.
    Bisher hatte diese Antwort mich zufriedengestellt, doch damit war es jetzt vorbei.
    Simon hätte Danny bereits in dessen Zimmer ermorden können. Wenn meine Ankunft im Haus der Jessups ihn daran gehindert hatte, dann hätte er die Sache im Lieferwagen erledigen können, während der schlangenhafte Kerl am Steuer saß. Dabei wäre sogar genug Zeit gewesen, um Danny zu foltern, wenn Simon das im Sinn gehabt hätte.
    Danny in dieses Labyrinth zu schleppen und ihn zu zwingen, meilenweit durch die Tunnels zu marschieren, stellte zwar durchaus eine Art Folter dar, doch war es weder dramatisch noch brutal genug, um einen mordlüsternen Irren zu befriedigen, der es gerne blutig hatte.
    Simon – und seine zwei verbliebenen Komplizen – hatten etwas mit dem armen Danny im Sinn, wovon ich keine Ahnung hatte.
    Abgesehen davon waren sie offensichtlich nicht hierhergekommen, um den Straßensperren und der Hubschrauberüberwachung
zu entgehen. Es hätte bessere Orte gegeben, um sich zu verstecken, bis die Luft wieder rein war.
    Von grimmigen Erwartungen erfüllt, ging ich nun schneller, nicht weil mein Magnetismus besser wirkte, was nicht der Fall war, sondern weil ich mich an jeder Einmündung an die Fußspuren im Sediment halten konnte.
    Die endlosen grauen Wände, die von den Deckenlampen geschaffenen monotonen Muster aus Schatten und Licht, die Stille – so hätte die Hölle für einen hoffnungslosen Sünder aussehen können, dessen größte Angst es war, unter Einsamkeit und Langeweile zu leiden.
    Nach der Entdeckung der ersten Fußspuren marschierte ich noch über eine halbe Stunde lang dahin, nicht laufend, aber doch mit schnellem Schritt, bis ich zu dem Ort kam, an dem Danny und seine Entführer das Labyrinth verlassen hatten.

18
    Als ich die Stahltür in der Wand des Tunnels berührte, bohrte sich ein unsichtbarer Haken in mich hinein. Ich fühlte mich vorwärtsgezogen, als wären die vier vor mir Angler und ich der Fisch.
    Hinter der Tür befand sich ein L-förmiger Flur, an dessen Ende eine zweite Tür kam. Als ich sie aufstieß, sah ich eine Wendeltreppe, die zu einem der bekannten Betonhäuschen mit Werkzeugregal hinaufführte.
    Obwohl es an diesem Februartag nicht allzu warm war, herrschte in dem kleinen Raum eine stickige Atmosphäre. Von den Balken unter dem in der Sonne brütenden Metalldach schwebte der Gestank von Holzfäule herab.
    Offenbar war das Schloss hier genauso geschickt geöffnet worden wie jenes an dem Schuppen in der Nähe des Blue Moon Cafés. Als man die Tür zugezogen hatte, war es wieder zugeschnappt.
    Ein einfaches Türschloss hätte ich mit meinem laminierten Führerschein gut aufbekommen, aber bei diesem Modell würde das nicht klappen, so billig und altersschwach es auch sein mochte. Deshalb nahm ich die Zange aus meinem Rucksack zur Hand.
    Dass Simon und seine Komplizen von dem Lärm, den ich machte, alarmiert wurden, war nicht zu erwarten. Bestimmt waren sie schon vor mehreren Stunden hier durchgekommen,
und ich hatte gute Gründe zu der Annahme, dass sie sich inzwischen aus dem Staub gemacht hatten.
    Gerade als ich die Zange am Schließzylinder ansetzen wollte, läutete Terris Mobiltelefon und ließ mich zusammenzucken.
    Ich fummelte das Ding aus der Hosentasche und nahm schon beim dritten Läuten ab.

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