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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Schock jedoch dazu, meinen Verstand zu schärfen und ihn zu zwingen, sich einer äußerst unangenehmen Wahrheit zu stellen.
    Wie mir rasch klar wurde, bestand diese Wahrheit darin, dass Datura trotz ihres Wahnsinns, ihrer Ignoranz und ihrer lächerlichen Überspanntheit eine stärkere Gegnerin darstellte, als ich mir eingestanden hatte. Wenn es darum ging, Gewalttaten zu begehen, so besaß sie so viele eifrige Hände wie Kali, während meine zwei Hände nur zögerlich zu Gewalt griffen.
    Bisher hatte mein Plan darin bestanden, aus dem Hotel zu fliehen und Hilfe herbeizuholen oder, falls mir das nicht gelang, Datura und ihre zwei Vollstrecker so lange an der Nase herumzuführen,
dass sie zumindest meinten, ich sei entkommen, und selber Reißaus nahmen, bevor ich ihnen die Polizei auf den Hals schickte. Das war ein Plan, der weniger darin bestand zu handeln, als darin auszuweichen.
    Irgendwo dort, wo die beiden Flure zusammenstießen, verspritzte Datura ihr Gift, viel zu nahe, als dass ich mich hätte sicher fühlen können. Anders als bei den meisten Leuten schien der Zorn sie nicht daran zu hindern, klar zu denken; im Gegenteil, er schärfte ihre Sinne. Ihren Hass ebenfalls.
    Ihr Talent für Bosheit, besonders für die üble Sorte, die man früher als Verworfenheit bezeichnet hatte, war so groß, dass sie von übernatürlichen Fähigkeiten besessen schien, die den meinen in nichts nachstanden. Ich war schon fast bereit zu glauben, dass Datura das Blut ihres Feindes riechen konnte, während es noch in dessen Adern floss, und dass sie nur dem Geruch folgen musste, um es zu vergießen.
    Den Plan, wieder zur Nordtreppe vorzustoßen, hatte ich bereits aufgeschoben. So etwas zu wagen, während sie in der Nähe war, kam mir selbstmörderisch vor.
    Ihr auszuweichen, war wahrscheinlich doch nicht möglich. Dennoch war ich nicht scharf darauf, von mir aus eine Konfrontation herbeizuführen.
    Im Lichte meiner neuen, eindeutig bedrohlicheren Einschätzung meiner Gegnerin begann ich mich darauf vorzubereiten, was von mir gefordert war, um zu überleben.
    Ungerufen fiel mir eine weitere düstere Eigenschaft der vierarmigen Hindugottheit ein, die mich dazu brachte, Datura nicht zu unterschätzen. Kali dürstete der Sage nach derart nach Gräueln, dass sie sich einmal selbst enthauptet hatte, um das aus ihrem Hals sprudelnde Blut zu trinken.
    Da Datura nur in ihrer eigenen Vorstellung eine Göttin war, hätte sie eine Enthauptung nicht überlebt. Angesichts des Vergnügens,
mit dem sie von den Schreien ermordeter Kinder und der Opferung einer haitianischen Näherin berichtet hatte, war jedoch klar, dass sie kein bisschen weniger blutdürstig war als Kali.
    Deshalb blieb ich hinter der Tür, in einem oft von Blitzen erhellten Dunkel, und lauschte Daturas Zetern und Fluchen. Nach einer Weile wurde ihre Stimme so leise, dass ich keine einzelnen Worte mehr verstehen konnte, aber das änderte nichts an dem rasenden Zorn, dem Hass und der düsteren Gier, die darin lagen.
    Falls André und Robert etwas sagten – oder es zu versuchen wagten –, dann hörte ich ihre tieferen Stimmen nicht. Nur die von Datura. Am Gehorsam und an der Unterwürfigkeit der beiden Männer war zu erkennen, dass es sich um wahre Gläubige handelte, die jederzeit bereit waren, sich selbst zu opfern.
    Als Datura endlich verstummte, hätte ich eigentlich erleichtert sein müssen, spürte jedoch stattdessen das vertraute Kribbeln im Nacken. Intensiv.
    Ich war erschöpft an die Wand gesunken. Nun richtete ich mich auf.
    Bisher war mir die Flinte, die ich mit beiden Händen hielt, nur wie ein Werkzeug vorgekommen, aber nun fühlte sie sich plötzlich lebendig an, schlummernd und doch von einer Art Eigenleben erfüllt. So hatte ich Waffen immer empfunden, und wie früher hatte ich Angst, ich würde das Ding nicht unter Kontrolle haben, wenn es darauf ankam.
    Wie schon gesagt, verdanke ich das meiner Mutter.
    Nachdem Datura nun schwieg, hätte ich erwartet, Bewegungen zu hören – Türen, die aufgingen und zufielen, andere Anzeichen dafür, dass man mit der Suche nach mir begonnen hatte. Es folgte jedoch nur Stille.
    Das gedämpfte Zischen des Regens, der auf den Balkon prasselte, und das gelegentliche Donnergrollen waren bisher nur
Hintergrundgeräusche gewesen, die mich nicht weiter gestört hatten. Während ich nun nervös lauschte, ob sich auf dem Flur etwas tat, störte das Unwetter mich jedoch gewaltig. Es war, als hätte es sich mit Datura regelrecht

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