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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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schikaniert wurde.
    Soweit ich mich erinnerte, waren dies die ersten Töne, die ich aus seinem Mund gehört hatte: ein Seufzen, ein Klagen.
    Sein unerklärliches Unbehagen und meine Abneigung, mangels einer klaren Bedrohung meines Lebens die Flinte einzusetzen, hatten eine bizarre Pattsituation herbeigeführt, die ich mir noch vor zwei Minuten nicht hätte vorstellen können.
    Auf meine Stirn trat Schweiß. Die Lage war unhaltbar. Etwas musste geschehen.
    Die Arme Roberts hingen schlaff an seiner Seite. Im flackernden Licht eines Blitzes sah ich den Umriss einer Pistole oder eines Revolvers in seiner rechten Hand.
    Als er sich umgedreht hatte, hätte er die Waffe hochreißen, losfeuern und sich dann sofort abrollen können, um nicht von mir getroffen zu werden. Zweifellos war er ein geübter Killer, der so etwas genug trainiert hatte. Seine Chancen, mich umzubringen, wären wesentlich besser gewesen als meine, ihn wenigstens zu verwunden.

    Nun hing seine Waffe wie ein Anker am Ende seines Arms, während er zwei Schritt auf mich zukam, nicht bedrohlich, sondern fast so, als wollte er mich flehentlich um etwas bitten. Es waren schwere Schritte, die zu dem Titel Cheval passten, den Datura ihm gegeben hatte. Mir kam ein müdes Kutschpferd in den Sinn.
    Im selben Augenblick malte ich mir aus, wie sein Gefährte André durch die Tür stürmte, mit der unüberwindlichen Kraft einer Lokomotive, an die er mich anfangs erinnert hatte.
    Womöglich schüttelte Robert dann seine Unentschiedenheit oder Lähmung ab, und dann geriet ich in ein tödliches Kreuzfeuer.
    Dennoch war ich nicht fähig, auf einen Mann zu schießen, der momentan keinerlei Absicht zu haben schien, mich aufs Korn zu nehmen.
    Obwohl Robert inzwischen näher gekommen war, konnte ich sein wildes Gesicht nicht deutlicher erkennen als vorher. Noch immer hatte ich den beunruhigenden Eindruck, seine Augen seien wie Milchglasscheiben.
    Ein weiteres Geräusch kam aus seinem Mund, das ich zuerst für eine gemurmelte Frage hielt. Als es sich wiederholte, klang es jedoch eher wie ein unterdrücktes Husten.
    Endlich hob sich die Hand mit der Waffe an seiner Seite.
    Es sah so aus, als würde er die Waffe nicht mit tödlicher Absicht heben, sondern fast so, als hätte er vergessen, dass er sie in der Hand hielt. Angesichts dessen, was ich über ihn wusste – seine Ergebenheit gegenüber Datura, seine Gier auf Blut und die wahrscheinliche Beteiligung an dem brutalen Mord an Dr. Jessup –, konnte ich jedoch nicht warten, bis mir seine Absicht klarer wurde.
    Der Rückstoß ließ mich zusammenzucken. Robert nahm die Schrotladung ohne sichtliche Wirkung hin und ließ nicht einmal
die Waffe fallen. Als ich durchlud und erneut abdrückte, zerbarst die Glastür hinter ihm, weil ich offenbar danebengezielt hatte. Erst bei meinem dritten Schuss taumelte er rückwärts durch den Rahmen, in dem sich die Tür befunden hatte.
    Die Waffe hatte er zwar immer noch nicht fallen lassen, aber er hatte sie auch nicht verwendet, und ich bezweifelte, dass ein vierter Schuss notwendig war. Zumindest zwei der drei Ladungen hatten ihn gut und hart getroffen.
    Dennoch lief ich auf ihn zu, um die Sache zu erledigen. Es war fast so, als würde die Flinte mich beherrschen und dazu zwingen, sie ganz zu leeren. Der vierte Schuss blies Robert vom Balkon.
    Erst als ich durch den leeren Rahmen trat, sah ich, was der Regen mir bisher verborgen hatte. Das äußere Drittel des Balkons war bei dem Erdbeben samt dem Geländer weggebrochen.
    Falls in Robert nach drei Volltreffern noch irgendwelches Leben verblieben war, dann hatte der Sturz aus dem zwölften Stock es ihm genommen.

46
    Von dem Bewusstsein, Robert getötet zu haben, wurde mir schwindlig, und ich bekam weiche Knie, aber mir wurde nicht so übel, wie ich erwartet hatte. Schließlich war er Daturas Cheval gewesen, nicht irgendein guter Gatte, ein liebevoller Vater oder eine Stütze der Gemeinschaft.
    Außerdem hatte ich das Gefühl, dass er das, was geschehen war, gewollt hatte. Er hatte seinen Tod wie eine Gnade angenommen.
    Eine Sturmbö peitschte Regen durch die Balkontür. Als ich zurückwich, hörte ich, wie Datura irgendwo weit weg wieder zu brüllen begann. Ihre Stimme schwoll an wie eine Sirene, während sie rasch näher kam.
    Wenn ich zur Treppe gerannt wäre, hätte sie mich auf dem Flur erwischt, bevor ich mein Ziel erreichte. Bestimmt waren sie und André bewaffnet, und es war äußerst unwahrscheinlich, dass die beiden sich so

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