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Seelenmoerder

Titel: Seelenmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
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sich durchaus. Wenn sie sich recht entsann, war Krankenpflege eine der Ausbildungen gewesen, bei denen Callie länger am Ball geblieben war. Dies war gleich nach ihrer kurzen Phase als Flugbegleiterin gewesen und direkt bevor sie sich eingebildet hatte, ein Talent für Dragster-Rennen zu haben. »Du kannst alles schaffen, was du dir vornimmst«, erwiderte sie ruhig. »Aber es kommt mehr dabei heraus, wenn du es diesmal ernsthaft angehst. Du musst erst mit dir selbst ins Reine kommen.«
    Ihre Schwester hatte die Gabe, alles zu ignorieren, was sie nicht hören wollte, und so war Abbie nicht überrascht, als sie abrupt das Thema wechselte. Doch was sie dann ansprach, erschütterte Abbie bis ins Mark.
    »Hast du dich eigentlich je gefragt, was aus uns geworden wäre, wenn unser alter Herr seinerzeit nicht kopfüber die Treppe hinuntergefallen wäre?«
    Darüber wollte Abbie nicht reden, ja sie wollte nicht einmal
darüber nachdenken. Erst recht nicht jetzt, unter Callies allzu bohrendem Blick. Doch sie gab ihr eine ehrliche Antwort. »Ja. Manchmal schon.« Wenn sie zitternd und allein im Dunkeln lag und der Nachhall seiner Stimme in ihrem Kopf allzu real wurde, dann dachte sie genau darüber nach. Und über Schlimmeres.
    »Das war das Beste, was uns je passiert ist. Manchmal heiligt der Zweck doch die Mittel, findest du nicht?«
    Abbie starrte ihre Schwester verständnislos an. Dann, als sie den logischen Schluss gezogen hatte, kam ihr ein schrecklicher Gedanke. »Was soll das heißen? Welcher Zweck heiligt welches Mittel?«
    Callie drückte die Zigarette aus, an der sie nur ein paarmal gezogen hatte. »Widerliche Gewohnheit. Ich weiß überhaupt nicht, warum ich wieder angefangen habe. Eigentlich rauche ich nur, wenn ich trinke.«
    Doch Abbie ließ das Thema nicht mehr los. »Callie, was weißt du über …« Sie brachte es schon lange nicht mehr über sich, ihn ihren Vater zu nennen. »… über seinen Tod?«
    Doch Callie hatte den Blick auf den Fernseher über dem Tresen gerichtet. »Hey, du bist schon wieder im Fernsehen.«
    Abbie starrte Callie an und wäre am liebsten weiter in sie gedrungen, wenn sie nicht gewusst hätte, wie sinnlos das war. Sie durfte ohnehin nicht alles, was ihre Schwester in diesem Zustand von sich gab, für bare Münze nehmen.
    »Du solltest nicht so viel Schwarz tragen«, merkte Callie kritisch an, den Blick nach wie vor auf den Bildschirm gerichtet. »Das macht dich farblos.«
    Abbie warf einen kurzen Blick auf den Fernseher, der stumm geschaltet war, doch der Nachrichtensprecher war bereits zum nächsten Thema übergegangen. Sie hatten nur den Ausschnitt von Dixon, Brown, Ryne und ihr auf den Stufen vor dem Polizeirevier gezeigt, während die Moderatoren
das wiederkäuten, was bis jetzt über die Ermittlungen bekannt war. Es hatte ganz den Anschein, als hätte sich Dixons Hoffnung zerschlagen, die Medien mit der Pressekonferenz zufriedenstellen zu können. Abbie hatte eher den Eindruck, dass sie Futter für eine stets auf neue Sensationslust getrimmte tägliche Kampagne geliefert hatte, die in keiner Weise hilfreich war.
    »Du bist berühmt«, sagte Callie und wandte sich mit einem seltsamen kleinen Lächeln wieder zu ihr um. »Genau wie dein Cop. Die Kameras lieben ihn. Sie greifen diese gewisse Härte an ihm auf und lassen ihn richtig gefährlich wirken.«
    Abbie schüttelte den Kopf, da sie den Gedankensprüngen ihrer Schwester nicht folgen wollte. Doch Callie hatte etwas Richtiges erkannt: Ryne hatte eine gewisse Härte an sich, und er war gefährlich – auf Gebieten, die sie auf keinen Fall mit ihrer Schwester diskutieren wollte.
    »Ich habe deinen Beruf ja nie besonders toll gefunden«, sagte Callie unvermittelt. »Ständig nur Cops und Leichen.« Sie rümpfte die Nase. »Aber du musst ziemlich gut darin sein. Und das macht mich stolz. Manchmal denke ich, du bist das einzig Gute, was ich je hingekriegt habe, Ab.«
    In Abbies Augen brannten Tränen, die nicht recht herauskommen wollten. Sie streckte den Arm aus und legte ihre Hand auf die ihrer Schwester. Ein Gefühl von Sinnlosigkeit erfüllte sie, das ebenso vertraut wie herzzerreißend war. »Ich weiß, was ich dir schuldig bin. Das wusste ich schon immer. Aber ich kann dir für deine Tapferkeit dankbar und trotzdem unglücklich darüber sein, was sie dich gekostet hat.«
    Callie drückte kurz Abbies Hand, und einen Moment lang lag eine seltene Klarheit in ihren Augen. In diesem Moment empfand Abbie eine echte Nähe zu ihrer

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