Seelenmoerder
Polizeirevier zurückgefahren und hatte mittels einer kurzen Recherche herausgefunden, dass die Nummernschilder gestohlen waren. Zu Abbies Genugtuung hatte sie bereits eine Liste mit älteren Geländewagen parat, deren Farbe, Marke und Modell zu der Beschreibung passten, die ihr die Frau gegeben hatte, als Robel im Revier eintraf. Fast so befriedigend wie das erstaunte Glitzern in seinen Augen, als sie ihm die Liste reichte.
Sie schritt durch die Küche in das kleine Wohnzimmer und legte die Fächermappe, die sie mitgenommen hatte, auf den Schreibtisch in der Ecke. Es war ungewöhnlich, dass die Agentur ihr als Unterkunft ein Haus besorgt hatte statt eines Motelzimmers. Doch Dixon hatte auf sofortigen Einsatz gepocht, und offenbar fand ein ausverkauftes Megakonzert in Savannah statt, wodurch Motelzimmer Mangelware waren. Es wunderte sie nicht, dass binnen vierundzwanzig Stunden ein möbliertes Haus zur Verfügung stand, während sie sich auf den Weg nach Savannah machte. Wo Adam Raiker die Hand im Spiel hatte, wurde tagtäglich erwartet, das Unmögliche möglich zu machen.
Sie musste etwas essen. Zwar hatte sie nichts eingekauft, doch sie könnte sich etwas bringen lassen. Sie kannte sich gut genug, um zu wissen, dass Stunden vergehen würden, bis sie wieder an etwas anderes dachte, sobald sie erst einmal angefangen hatte, sich die Unterlagen aus der Mappe vorzunehmen.
Doch die halbherzige Absicht war nicht stark genug, um
sie daran zu hindern, die Mappe auf dem Schreibtisch auszuleeren. Sie zog den Stuhl heraus, setzte sich und schaltete die Lampe ein. Es gab einiges aufzuholen. Commander Dixon hatte gesagt, die Sonderkommission sei vor fünf Wochen gegründet worden, kurz nach der zweiten Vergewaltigung.
Abbie sortierte den Inhalt der Akte auf dem Tisch. Wie sie zuvor schon bemerkt hatte, hatte Robel praktischerweise alles chronologisch geordnet.
Zuerst studierte sie die Bilder. Der Massenmörder Bundy hatte hübsche brünette Schülerinnen und Studentinnen bevorzugt, doch die Frauen auf den Fotos vor ihr wiesen keine solchen äußerlichen Ähnlichkeiten auf. Sie waren allerdings alle attraktiv und zwischen neunzehn und achtunddreißig Jahre alt.
Es war nicht ungewöhnlich, dass ein Sexualstraftäter wahllos zuschlug, wie ein Kind im Süßwarenladen, das sich greift, was immer es in die Finger bekommt. Doch dieser Täter war geduldig. Ein Planer. Er wählte seine Opfer sorgfältig aus, und es war offenkundig, dass er ihre Gewohnheiten lange studiert hatte.
Warum also diese Frauen? Abbie wühlte sich durch den Stapel, bis sie Berichte fand, in denen die bisherige Arbeit der Sonderkommission geschildert wurde. Schon beim raschen Überfliegen fand sie die gesuchten Informationen und las mit erhöhter Aufmerksamkeit weiter.
Zwischen den ersten drei Opfern ließ sich offenbar keine gesicherte Verbindung herstellen. Sie hatten weder in Bezug auf ihre Berufe noch ihre Wohngegend oder ihre Religion irgendetwas gemein. Sie kauften sogar bei unterschiedlichen Supermarktketten ein. Zwei von ihnen, darunter Barbara Billings, waren geschieden. Eine war alleinstehend und noch keine zwanzig, und eine war Hausfrau und in ihrem
Haus überfallen worden, als ihr Mann auf Geschäftsreise war.
Es hatte den Anschein, als sei dieser Aspekt bereits erschöpfend untersucht worden, doch Abbie wollte trotzdem versuchen, eine Verbindung zwischen Barbara und den anderen Opfern herzustellen. Es waren keine wahllosen Attacken gewesen. Entweder waren die Frauen irgendwann zuvor mit dem Vergewaltiger in Kontakt gekommen, oder er hatte sie ausgesucht, weil sie irgendwie in sein bizarres Konzept passten. Wenn sie herausfand, warum er gerade diese Frauen gewählt hatte, wären sie seinem Motiv und damit seiner Ergreifung schon ein ganzes Stück nähergekommen.
Irgendetwas nagte an ihr, seit sie mit Robel über die Opfer gesprochen hatte, und sie durchsuchte den Papierstapel, der den zweiten Überfall dokumentierte. Amanda Richards, die Enkelin des Bürgermeisters, war nicht von einem Mann überfallen worden, der sich in ihrem Haus versteckt gehalten hatte. Bei ihr hatte der Vergewaltiger einen Blitzangriff unternommen, indem er sie sich geschnappt hatte, als sie eines Abends, von ihrem Job als Kassiererin des Studentenwerks kommend, den Campus überquerte. Dann war sie zum Strandhaus des Bürgermeisters geschafft worden, was in Abbies Augen eine spezielle Bedeutung barg.
Überfällt sie in vertrauter Umgebung, schrieb sie. Sie machte sich
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