Seelenmoerder
wiederum seinen Vorgesetzten mit aufgesetzt nichtssagender Miene musterte. »Nein«, gestand sie widerwillig. »Er folgt keinem festgelegten Muster, aber er ist ziemlich schnell. Ich glaube, er sucht sich mehrere mögliche Zielpersonen, die seinen Kriterien entsprechen, ehe er eine davon auswählt und ihr nachzustellen beginnt, um ihre Gewohnheiten auszuforschen.«
Dixon setzte ein humorloses Lächeln auf. »Tja, dann haben wir in dieser Hinsicht ja nichts zu verlieren«, sagte er. »Dem Profil zufolge, das Sie mir heute Morgen gegeben haben, glauben Sie doch ohnehin, dass er bereits auf der Jagd nach seinem nächsten Opfer ist.«
Das ließ Ryne aufhorchen. Sein Blick ging ihr durch und durch, doch sie antwortete aufrichtig. »Ich glaube, er hat die Nächste bereits ausgewählt, ja.«
Dixon schlug mit beiden Händen auf den Schreibtisch und richtete sich auf. »Dann haben wir ja noch mehr Grund, die Öffentlichkeit zu alarmieren. Als Sicherheitsvorkehrung. Dummerweise haben wir nichts Substanzielles zu bieten. Keine Beschreibung des Täters oder seines Fahrzeugs …« Er hielt inne und fixierte Ryne. »Es sei denn, der Verdacht erhärtet sich, dass Juárez die Vergewaltigungen begangen hat.«
»Wir haben keinen Grund, ihn als Verdächtigen auszuschließen.«
Er hätte nicht deutlicher sagen können, dass er nach wie
vor nichts von der Theorie hielt, die sie ihm heute Morgen vorgetragen hatte. Seine Skepsis nagte immer noch an ihr, doch dies durfte niemals ihre Arbeit beeinträchtigen. Unter keinen Umständen.
»Wir müssen vorsichtig vorgehen«, sinnierte Dixon und rieb sich das Kinn. Er war das Bild eines Mannes, der mit einer gewichtigen Entscheidung ringt. Abbie fragte sich, ob er schon für die Pressekonferenz übte. Jede seiner Bewegungen wirkte einstudiert wie bei einem Schauspieler, der eine bestimmte Figur verkörpert. »Wenn wir einen Verdächtigen präsentieren, und dann geschieht eine weitere Vergewaltigung, machen wir einen inkompetenten Eindruck. Jedenfalls müssen wir der Öffentlichkeit versichern, dass die Ermittlungen Fortschritte machen.«
»Die Ermittlungen machen ja auch Fortschritte.« Rynes pikierter Unterton war kaum wahrnehmbar. »Aber wenn wir zu viel preisgeben, könnte sich das als hinderlich erweisen. Über die Vorgehensweise des Vergewaltigers darf nichts bekannt werden – weder über den Drogenmix noch über die Folterungen. Lassen Sie uns etwas, was wir bei Vernehmungen Verdächtiger einsetzen können.«
Dixons Gesichtsausdruck war vernichtend. Die spürbare Feindseligkeit zwischen den beiden Männern lenkte Abbie vorübergehend von ihrer Besorgnis hinsichtlich des Medienrummels ab. Die beiden hatten eine Geschichte miteinander, etwas, das über das rein Berufliche ins Persönliche hineinspielte. Es fiel ihr schwer, den Mann, der Ryne bei ihrer Ankunft in Savannah in den höchsten Tönen gelobt hatte, mit demjenigen in Einklang zu bringen, der ihn jetzt mit Blicken durchbohrte.
»Vergessen Sie nicht, dass ich immer noch ein Cop bin, Robel.«
»Manchmal muss man mich daran erinnern.«
Einen Moment lang glaubte Abbie, der Commander werde seine angestrengte Beherrschung verlieren. Er blähte die Nasenflügel, während rote Flecken auf seinen Wangen erschienen. Doch nach einem raschen Blick auf Abbie hatte er sich wieder in der Gewalt. Er zog seinen Schreibtischstuhl heraus und setzte sich.
»Wir sind hier fertig. Die Pressekonferenz beginnt in fünfzehn Minuten. Näheres erfahren Sie von Jean im Vorzimmer. Sie haben noch Zeit, Ihr Jackett zu holen, Robel.« Das Lächeln, das er Abbie zuwarf, reichte nicht bis zu seinen Augen. »Sie können sich auch noch frisch machen, obwohl ich nichts sehe, was man noch verschönern müsste.«
Rynes Miene spiegelte ihren eigenen Argwohn wider. »Wir? Warum müssen wir dabei sein?«
»Habe ich das nicht erwähnt?« Dixon griff nach einem schlanken goldenen Füller und ließ ihn durch die Finger gleiten. »Sie beide sind das Gesicht der Ermittlungen. Sie kommen mit ins Bild, direkt neben mir.«
»… und obwohl wir von Ms Hornbys Tod tief erschüttert sind, müssen wir die Fahndung nach dem Serientäter, der sie überfallen hat, unbeirrt fortsetzen. Dafür scheut die Polizei von Savannah weder Kosten noch Mühen. Wir haben nahezu sechzig Beamte auf diesen Fall angesetzt, die jede Spur mit aller gebotenen Sorgfalt verfolgen.«
Einfach eine Phrase nach der anderen dreschen, dachte Abbie. Doch solange Dixon bei seinen
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