Seelenmoerder
Ich habe nämlich sämtliche Anzeigen durchgesehen, die letztes Jahr eingegangen sind, und nichts gefunden, was an unseren Täter erinnert.«
Dixon wandte den Blick ab. »Nein. Sie hat überhaupt keine Straftat erwähnt. Aber ich habe zufällig erfahren, dass
sie am nächsten Tag ins Krankenhaus gegangen ist und eine Freundin gebeten hat, eine toxikologische Untersuchung an ihr vorzunehmen. Dabei hat sich herausgestellt, dass sie den gleichen Drogencocktail im Blut hatte wie die anderen Opfer in dem Fall.«
»Was?« Im Wissen, dass er die Stimme erhoben hatte, sprach Ryne bewusst leiser weiter. »Ich habe schon vor Monaten mit Ärzten in der ganzen Stadt über die Sache gesprochen. Keiner von ihnen hatte je so etwas gesehen, wie es unser Täter benutzt, und das hat mich davon überzeugt, dass es nicht nur eine neue Art von Partydroge ist. Sonst wäre das Zeug auch in der Kneipenszene aufgetaucht. Und so wie es wirkt, hätten dann mehr Leute in der Notaufnahme landen müssen.« Er hielt inne, als ihm verspätet eine Erkenntnis kam. »Woher weißt du denn, was bei ihrer toxikologischen Untersuchung herausgekommen ist? Kennst du sie? Hat sie dir selbst davon erzählt?« Die Gesetze verwehrten ihnen jeden Zugriff auf die medizinischen Daten eines Bürgers ohne dessen Zustimmung oder richterliche Anordnung.
Dixon fuhr mit dem Daumen über das Kondenswasser an seinem Glas. »Hör mal, Ryne, ich muss mich in dieser Sache felsenfest auf deine Diskretion verlassen können. Ich habe eine Kopie der Untersuchungsergebnisse. Und meine … meine Informantin hat gesagt, dass Karen Larsen an posttraumatischen Symptomen leidet. Sie hat meine … meine Bekannte gefragt, ob sie ihr einen Therapeuten empfehlen kann. Einen Spezialisten für Opfer sexueller Gewalt.«
Ein dumpfer Schmerz begann in Rynes Hinterkopf zu pochen. Er starrte Dixon an und versuchte, aus dem Gesagten das Ungesagte herauszufiltern, denn er war sich verdammt sicher, dass das, was Dixon verschwieg, wesentlich wichtiger war als das, was er preisgab.
»Und wer ist diese Informantin?«
Dixon hob sein Glas und trank einen Schluck. »Das tut doch nun wirklich nichts zur Sache.«
»Oh doch. Wenn ich den Charakter der Informantin nicht überprüfen kann, stellt das die Legitimität der gesamten Information infrage, das weißt du.«
»Ich verbürge mich für den Charakter der Informantin«, fauchte Dixon. »Und du hast morgen früh eine Kopie der toxikologischen Untersuchung auf deinem Tisch liegen, verdammt noch mal.«
Als er endlich eins und eins zusammengezählt hatte, konnte er seinen Zynismus nicht mehr unterdrücken. »Und ich soll also einfach glauben, dass du absolut objektiv bist, was diese … was die Verlässlichkeit dieser Person angeht, oder wie?«
Dixon bleckte die Zähne. »Das macht dir einen Riesenspaß, was? Okay, die Informantin ist die Frau, mit der ich seit ein paar Monaten ins Bett gehe, bist du jetzt zufrieden? Sie kennt diese Larsen und hat die Untersuchung bei ihr sogar selbst vorgenommen, was ihr ziemlichen Ärger einbringen könnte, da sie nirgends eingetragen ist. Sie hat eine Kopie der Ergebnisse gemacht und mir gegeben.«
»Du hast sie doch nicht mehr alle.« Ein Mann am Nebentisch drehte sich zu ihnen um, doch Ryne ignorierte ihn. Damit hatte sich Dixon erneut selbst unterboten, doch das wunderte ihn nicht mehr. Allerdings hatte er guten Grund, stocksauer zu sein. »Du hast deiner Freundin von dem Drogenmix erzählt, der bei den Vergewaltigungen verwendet wurde? Das wichtigste Element aus der Vorgehensweise dieses Schweins – die Information, die wir den Medien vorenthalten -, die ist in deinen Augen ein geeignetes Thema für Bettgeflüster?«
Dixon bewies immerhin genug Anstand, um betreten
dreinzublicken. »So ist es nicht. Paula – die Frau, die ich … mit der ich mich treffe, ist Laborleiterin im St. Joseph’s/ Candler Hospital. Sie hat die Ergebnisse von zweien der anderen Opfer dokumentiert, die dort behandelt worden sind. Als sie ein weiteres ähnliches Ergebnis gesehen hat, hat sie es mir natürlich gesagt.«
Ryne war von Natur aus misstrauisch. Das hatte sich für seinen Beruf als vorteilhaft erwiesen, und es half auch im Umgang mit Dixon. »Wann genau hast du denn von dem Untersuchungsergebnis erfahren?«
Dixon lehnte sich zurück und sah auf die Uhr. »Das tut wirklich nichts zur Sache.«
»Sei nett zu mir.«
»Vor drei Wochen. Und jetzt fall bloß nicht über mich her. Sie hat mir erst vor ein paar Tagen
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