Seelenmoerder
alles, was sie ihm anvertraut hatte, schon seit Jahren niemandem mehr erzählt hatte. Zuletzt bei ihrem dritten Bewerbungsgespräch bei
Raiker, ehe er sie einstellte. Doch das war unvermeidlich gewesen. Adam Raiker duldete keine Geheimnisse.
Und nun hatte sie offenbar einen anderen Mann kennengelernt, der das gleiche Maß an Offenheit einforderte, nur wusste sie diesmal nicht, was sie davon halten sollte.
Die Tür ging so weit auf, wie es die Sicherheitskette erlaubte. »Ja?«
»Ms Larsen?« Abbie erkannte die Frau von einem Foto aus der Fallakte. Sie reckte sich, damit die andere sie sah. »Ich bin Abbie Phillips. Wir haben vorhin telefoniert. Und das ist Detective Robel.«
»Ich möchte erst Ihre Ausweise sehen.«
Ryne hielt seine Dienstmarke hoch, damit sie sie studieren konnte, worauf die Tür sich schloss. Eine Kette klirrte, ehe die Tür wieder aufging und eine Frau erschien, die etwas trug, was Abbie als die moderne Klinikuniform vertraut war: gemusterter Kittel, weiße Hose und pinkfarbene Crocs.
»Entschuldigen Sie. Nach den ganzen Vorfällen bin ich immer noch etwas nervös.« Karen Larsen trat zurück und ließ sie ein.
»Das ist völlig verständlich.« Abbie lächelte ihr aufmunternd zu und sah sich rasch in dem kleinen Wohnzimmer um. Das Haus war ein wenig größer als das, in dem sie selbst derzeit wohnte, und spärlich möbliert. Doch in einer Vase auf dem Fernseher standen frische Blumen, und an der Wand hingen ein paar Drucke. Bunte Kissen lagen auf der Couch. Der Raum wirkte ebenso korrekt wie seine Bewohnerin.
Karen Larsens dunkelblonde Locken fielen ihr auf die Schultern und umrahmten ein schmales, sorgfältig geschminktes Gesicht. Ihr Lippenstift hatte exakt den gleichen Farbton wie der Lack auf ihren perfekt gepflegten Fingernägeln
und die kleinen Creolen in ihren Ohrläppchen. »Es geht um das Feuer, oder? Ich würde die Angelegenheit jetzt wirklich gern mit meiner Versicherung klären. Ich habe alle meine Sachen verloren und kann es mir nicht leisten, viel Neues zu kaufen, ehe ich weiß, wie viel ich bekomme.«
»Wir würden gern mit Ihnen über das Feuer sprechen, wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben.« Ryne nahm die Sonnenbrille ab und bedeutete der Frau, sich zu setzen. Sie sah zwischen ihm und Abbie hin und her, ehe sie sich langsam auf die Couch sinken ließ.
»Wo ist denn Officer O’Hare? Bisher hatte ich immer mit ihm zu tun.«
»Er bearbeitet nach wie vor Ihren Fall«, erwiderte Ryne. »Wir sind hier, weil die Möglichkeit besteht, dass Ihr Fall mit einem anderen zusammenhängt, an dem wir gerade arbeiten.«
Die Frau blickte verdutzt drein. »Das verstehe ich nicht. Das Feuer ist wegen einer Kerze ausgebrochen, die ich brennen lassen hatte, worauf die Vorhänge Feuer gefangen haben. Furchtbar leichtsinnig von mir, das gebe ich zu. Aber wie soll mein Fall mit irgendeinem anderen zusammenhängen?«
Ryne setzte sich ans andere Ende der Couch und sah sie an. »Mir sind ein paar Einzelheiten im Ermittlungsbericht aufgefallen. Zum Beispiel wurde ein Stück verbranntes Kabel neben Ihrem Bett gefunden, das als Elektrokabel identifiziert wurde. Da die meisten Leute so etwas nicht herumliegen lassen, wirft es ein paar Fragen auf.«
Karen Larsen warf Abbie einen raschen Blick zu, als suchte sie nach Hilfe, bekam jedoch keine. »An was für einem Fall arbeiten Sie eigentlich?«
»Das Kabel?«, drängte Abbie.
Karen Larsen zuckte eine Achsel. »Ich hatte noch etwas
Fernsehkabel von der Kabelinstallation übrig. Aber es war an nichts angeschlossen. Ich begreife nicht, was das mit dem Feuer zu tun haben soll.«
Ein Kabel fürs Kabelfernsehen und ein Elektrokabel waren zwei grundverschiedene Dinge, doch Ryne ließ es so stehen, während ihm die Frau immer undurchsichtiger erschien. Er gab vor, etwas in seinem Notizbuch nachzuschlagen. »Sie haben dem Ermittler gesagt, Sie seien an diesem Abend in mehreren Nachtlokalen gewesen.«
Karen Larsen wurde rot und senkte den Blick auf ihre im Schoß verschränkten Hände. »Ich hatte einen schlechten Tag, deswegen wollte ich ausgehen und meinen Ärger herunterspülen, was ich sonst nie tue. Oder vielmehr so gut wie nie. Und ja, ich war ziemlich betrunken, als ich nach Hause kam. Deshalb war ich ja so unvorsichtig mit der Kerze.«
»Und mit Ihren Türschlössern.«
Abbies Einwurf ließ sie ruckartig aufsehen. »Was meinen Sie damit?«
»Eine allein lebende Frau, die spät nach Hause kommt … es war doch, nachdem die Lokale alle
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