Seelenmoerder
geschlossen hatten, stimmt’s?« Abbie wartete Karen Larsens Nicken nicht ab, ehe sie fortfuhr. »In dem Bericht heißt es, Sie hätten es aus dem Haus geschafft, ehe die Feuerwehr gekommen ist, indem Sie das Schlafzimmerfenster mit einem Stuhl eingeschlagen haben und hinausgestiegen sind. Aber Ihre Haustür war überhaupt nicht abgeschlossen, als die Feuerwehrmänner hineingegangen sind.«
Karen sah auf die Uhr. »Ich muss bald weg. Ich muss zur Arbeit.«
»Um elf, haben Sie gesagt.« Abbie lächelte verbindlich. »Wir haben noch ein bisschen Zeit. Können Sie sich daran erinnern, die Haustür abgeschlossen zu haben?«
»Wenn Sie sagen, dass sie unverschlossen war, glaube ich
Ihnen.« Sie zuckte erneut die Achseln und blickte verlegen drein. »Sie müssen wissen, ich gehe normalerweise nicht in Nachtlokale. Ich bin keine große Trinkerin.«
»Wie viel hatten Sie an diesem Abend getrunken?«
»Sechs Margaritas. Mein Limit ist normalerweise zwei, also habe ich an diesem Abend den Dummheitsfaktor in allen Bereichen übertroffen. Und jetzt muss ich mit den Folgen leben, nicht wahr?«
Abbie hörte die Selbstvorwürfe im Tonfall der Frau und schenkte ihr ein mitleidiges Lächeln. »Dann muss es ja wirklich ein furchtbarer Tag gewesen sein. Das kenne ich auch. Ist bei der Arbeit irgendetwas vorgefallen?«
»Nein.« Karen drehte an einem silbernen Ring an ihrem Finger. »Ich war nur einfach niedergeschlagen. Hab mich wohl irgendwie einsam gefühlt. Ich wohne erst seit März in Savannah und kenne noch nicht viele Leute.«
»Sie wollten also nur ein bisschen ausgehen, unter Leute kommen und mit jemandem reden«, sagte Abbie aufmunternd. Sie sah Ryne nicht an, registrierte jedoch durchaus, dass er sich zurückgelehnt hatte und ihr die Gesprächsführung überließ. »Klingt doch völlig normal. Haben Sie irgendjemand Speziellen getroffen?«
»Mir sind ein paar Kolleginnen aus dem Memorial begegnet.«
»Ist das das Krankenhaus, in dem Sie arbeiten?«, wollte Ryne wissen.
»Eines davon. Ich bin Aushilfsschwester. Ich gehe dorthin, wo gerade Bedarf herrscht. Auf die Art habe ich schon in sämtlichen Krankenhäusern und etlichen Privatkliniken in der Umgebung gearbeitet. Dabei verdient man sogar mehr als eine fest angestellte Krankenschwester«, erläuterte sie. »Wenn einem die unsicheren Arbeitszeiten und die Anrufe in letzter Minute nichts ausmachen.«
»Dann waren Sie also den größten Teil des Abends mit diesen Kolleginnen zusammen?«
Karen Larsen schüttelte langsam den Kopf und wandte den Blick ab. »Ich hab nur ein paar Minuten mit ihnen geplaudert.«
»Haben Sie an dem Abend irgendwelche interessanten Männer kennengelernt?«
Die Miene der Frau verschloss sich. »Ich war nicht auf der Suche nach Männern. Ich bin keine Schlampe. Ich bin nicht so eine.«
Die Heftigkeit, mit der sie das vorbrachte, machte klar, dass Abbie einen wunden Punkt getroffen hatte. Sie versuchte, die Thematik durch Humor aufzulockern. »Manchmal müssen wir gar nicht suchen, sondern es reicht, wenn wir einfach da sind. Männer sind wie Fliegen. Sie warten nicht auf eine Aufforderung zum Landen.«
Ein unwilliges Lächeln zuckte in Karen Larsens Mundwinkeln. »Stimmt. Ja, ich habe ein paar Nachtschwärmer getroffen, aber niemand Bestimmten. Und jetzt muss ich wirklich los, sonst komme ich zu spät zur Arbeit.«
Sie erhob sich, und Ryne und Abbie taten es ihr nach. »Eines noch, Ms Larsen«, sagte Ryne. »Könnten Sie uns die Namen der Lokale bestätigen, die Sie an diesem Abend besucht haben?«
Karen Larsen blickte argwöhnisch drein. »Warum?«
»Nur eine Routinefrage.« Er sah in sein Notizbuch und las die Namen vor, die sie dem in ihrem Fall ermittelnden Beamten genannt hatte, ehe er wieder aufblickte. »Gibt es noch andere, die Sie bisher zu erwähnen vergessen haben? Vielleicht ein Lokal, in dem Sie nicht lange geblieben sind?«
Sie schluckte schwer und schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Warum sind Sie eigentlich gekommen? Was
spielt es für eine Rolle, wo ich gewesen bin? Und in was für einem Fall ermitteln Sie überhaupt?«
»Wir melden uns wieder«, sagte Abbie. Sie hatte bereits mehr Fragen als zuvor, doch ihr war klar, dass sie jetzt nichts mehr aus der Frau herausbekommen würden.
Sie gingen allein zur Tür, da Karen Larsen wie angewurzelt neben der Couch stehen blieb. Ryne machte die Tür auf, während Abbie sich umdrehte, als hätte sie etwas vergessen. »Ach, Karen? Im Bericht des Brandermittlers
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