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Seelenmoerder

Titel: Seelenmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Ursprung sämtlicher Probleme ihrer Schwester, oder? Dass sie ihr eigenes Leid verlängert hatte, um Abbie zu schützen. Sie atmete stockend aus. »Das ist schon lange her, Ryne. Und es geht dich absolut überhaupt nichts an.«
    Er packte sie an beiden Schultern und schüttelte sie leicht. »Das ist doch Blödsinn. Seit gestern Nacht geht es mich sehr wohl etwas an.«
    »Gestern Nacht?« Sie bemühte sich um ein ungläubiges Lachen, das ihr kläglich misslang. »Legen wir jetzt unser Seelenleben bloß, nur weil wir eine Nacht Sex miteinander hatten, oder wie? Dann fang du bitte an. Warum erzählst du mir nicht die ganze Geschichte darüber, was in Boston passiert ist? Den wahren Grund hinter deinem Umzug nach Savannah?«
    Sie sah, wie seine Miene sich verschloss, und genehmigte sich ein bitteres kleines Lächeln. »Die letzte Nacht hat also dir das Recht gegeben, in meinem Leben herumzuschnüffeln, aber mir im Gegenzug nicht, stimmt’s? Hängen persönliche Geständnisse mit der Zahl der Orgasmen zusammen?
Denn in dem Punkt sind wir meiner Rechnung nach ziemlich quitt.«
    Er fixierte sie mit einem lodernden Blick, einer Wut, die sie nicht ganz ergründen konnte. »Du hast recht, es ist nicht fair. Du bist mir keine Erklärung schuldig, aber du wirst sie mir trotzdem geben. Weißt du, warum? Seit ich diese Narben gesehen habe, hat sich ein Bild in meinem Kopf festgesetzt – von dir in der Vergangenheit, wie du blutest und leidest. Und das Bild will ich wieder loswerden. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich es los sein will. Also entweder sagst du es mir, oder ich hole mir die Antworten woanders.« Er quittierte ihr Schweigen mit einem Nicken, gab sie frei und trat einen Schritt zurück. »Also gut. Ich lasse Callie abholen und frage sie. Irgendwie könnte ich mir vorstellen, dass sie entgegenkommender ist.«
    Angstschauer liefen ihr über den Rücken. Callie hatte gestern Abend schon wie kurz vor dem Überschnappen gewirkt. Es würde ihr den Rest geben, wenn man sie nun noch über ihre Vergangenheit verhörte. Dort lag schließlich der Grund für sämtliche Probleme ihrer Schwester. »Lass meine Schwester da raus. Du manipulierst mich nicht noch einmal dazu, dass ich etwas preisgebe, was dich nichts angeht. Ich bin keine Verdächtige, die du verhörst, also hör auf, mich wie eine zu behandeln.«
    Erbost knurrte er sie an: »Nein, du bist keine Verdächtige, du bist eine Frau, die ich …« Er hielt inne, als hätte ihn sein unvollendeter Gedanke selbst erschreckt. Mit brüchiger Stimme fuhr er fort. »Du bist mir wichtig, okay? Das ist wahrscheinlich keine gute Idee, aber so ist es eben. Und was immer dir passiert ist … ist auch wichtig für mich. Glaub mir, das macht mir mehr Angst als dir.«
    Seine Worte wirkten auf sie wie ein schneller rechter Haken in den Solarplexus. Während in ihrem Kopf das Chaos
ausbrach, starrte sie ihn an und versuchte, sein Geständnis zu verarbeiten. Fast hätte sie ihn verdächtigt, mithilfe der geeignetsten Wortwahl seinen Willen durchsetzen zu wollen, wenn er dabei nicht so unglücklich ausgesehen hätte.
    Aufgewühlt wandte sie sich ab. Mit seiner besorgten Miene vor Augen konnte sie nicht klar denken.
    Schließlich vermochte sie sich überhaupt nicht mehr zu konzentrieren, als er dicht hinter sie trat, sie sanft an sich zog und ihr die Arme streichelte. »Ich bin der Letzte, der dich verurteilt, das musst du wissen. Und wenn du es mir wirklich nicht sagen kannst …« Er zögerte lange genug, dass sie begriff, wie schwer ihm diese Worte fielen. »Dann werde ich versuchen, es auf sich beruhen zu lassen.«
    Sein letzter Satz ließ sie mit einem Schlag innerlich einknicken, und mit einem stockenden Seufzer gab sie jede Gegenwehr auf. Seine Daumen strichen sachte über die Innenseiten ihrer Arme. Was er wohl sagen würde, wenn sie ihm gestand, dass die Narben manchmal noch einen pochenden Phantomschmerz auslösten, der keine körperlichen Ursachen hatte? Oder wie lange es gedauert hatte, bis sie sich abgewöhnt hatte, immer über die Narben zu reiben, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlte …
    Angesichts des großen Ganzen waren das eigentlich nur Scheingefechte, genauso wie der Widerstand gegen seine Besorgnis. Nach so vielen Jahren wurde niemand mehr durch die Wahrheit verletzt. Der Schaden war längst geschehen.
    »Callie ist vier Jahre älter als ich. Sie war zehn, als mein Vater sie zum ersten Mal vergewaltigt hat.« Sie spürte, wie er zusammenzuckte,

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