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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Stabilität. Hätte Derek sich da hinaufzuschwingen versucht, wäre er mit einem Krachen wieder auf dem Boden gelandet, aber ich schaffte es hinauf und von dort aus auf den nächsthöheren, dickeren Ast, der nur ein schwaches Ächzen von sich gab.
    Ich kletterte weiter, bis ich mir ziemlich sicher war, dass mich der Baldachin aus frischen Blättern verbarg. Dann suchte ich mir einen festen Halt und pfiff – ein dünnes, schrilles Piepsen, bei dem Derek die Augen verdreht hätte.
    Wie kommst du eigentlich auf den Gedanken, dass sie das auch nur hören werden?
    Ich pfiff wieder.
    Und selbst wenn sie’s tun, warum sollten sie sich mit dir abgeben? Die wissen, wo Derek ist. Sie werden sich an ihn halten.
    Das ferne Geräusch von den Schritten des Teams, das ich gesehen hatte, verstummte. Ich hörte murmelnde Stimmen. Dann kamen die Schritte zurück in meine Richtung.
    Und was hast du als Nächstes vor? Du solltest dir besser einen Plan zurechtlegen …
    Ich befahl meiner inneren Stimme, den Mund zu halten, und pfiff noch einmal, leiser, nur um sicherzugehen, dass sie mich gehört hatten.
    Das Funkgerät knackte.
    »Alpha? Hier ist Bravo. Wir haben wohl gerade das Saunders-Mädchen gehört, sie versucht, Souza zu kontaktieren. Habt ihr ihn schon?«
    Ich gab mir alle Mühe, die Antwort mitzubekommen, verstand aber nichts.
    »Wir kommen vorbei und helfen, sobald wir sie haben.«
    Was wohl hieß, dass sie Derek
nicht
hatten.
    Oder sie haben ihn und haben einfach Probleme, ihn zu kontrollieren.
    Das Funkgerät meldete sich wieder – eine weitere Nachricht, die ich nicht verstand. Die Frau brachte das Gespräch zu Ende und sagte zu ihrem Partner: »Sie wollen, dass du rübergehst und ihnen mit dem Jungen hilfst, ich kümmere mich schon um das Mädchen.«
    Hat wohl nicht funktioniert, was?
    Der Mann verschwand. Ich hielt still, als die Frau nach mir zu suchen begann. Sie kam im Abstand von mindestens vier Metern an meinem Baum vorbei und ging weiter. Ich wartete, bis ich mir sicher war, dass sie von allein nicht zurückkommen würde, und klopfte dann mit dem Fuß an den Baumstamm.
    Sie drehte sich um. Einen Moment lang stand sie einfach nur da und leuchtete mit ihrer Taschenlampe in die Dunkelheit. Ich bereitete mich darauf vor, ein zweites Mal zu klopfen, wenn sie wieder weggehen sollte, aber sie kam zurück. Sie ging langsam, der Strahl der Taschenlampe beleuchtete den Erdboden und blieb an jedem Busch und jedem hohen Grasbüschel hängen.
    Als sie unter meinem Baum hindurchging, verstärkte ich meinen Griff und drückte mich möglichst flach auf den Ast. Als ich den Fuß hochzog, mit dem ich an den Stamm geklopft hatte, streifte er die Rinde, und ein Stückchen fiel herunter und der Frau genau vor die Füße.
    Sie richtete den Strahl der Taschenlampe darauf.
    Bitte nicht. Bitte, bitte.
    Der Strahl schwenkte aufwärts, in die Zweige hinein.
    Ich ließ mich fallen. Ich dachte nicht darüber nach, wie unglaublich dumm es war, sich auf eine bewaffnete Frau herunterfallen zu lassen, die wahrscheinlich etwa doppelt so groß war wie ich. Ich ließ einfach los und wälzte mich von meinem Ast herunter, während meine innere Stimme kreischte:
Was machst du da eigentlich?!
 … nur dass sich meine innere Stimme dabei nicht so höflich ausdrückte.
    Ich landete auf der Frau, und wir stürzten beide. Ich sprang auf, ignorierte den Protest meines durchgeschüttelten Körpers, zerrte das Messer heraus und …
    Die Frau lag am Fuß des Baums, ihr Kopf nur ein paar Zentimeter von dem Stamm entfernt. Auch sie trug einen Hut mit einem Netz, das ihr Gesicht verdeckte, aber ich konnte sehen, dass ihre Augen geschlossen waren und ihr Mund offen stand. Sie musste mit dem Kopf auf dem Stamm aufgeschlagen sein. Ich widerstand der Versuchung, es zu überprüfen, griff nach ihrem Funkgerät und drehte mich auf der Suche nach ihrer Schusswaffe hastig im Kreis. Sie war nicht da. Kein Gewehr und keine Pistole … jedenfalls sah ich nichts. Ich warf noch einen Blick in die Runde, um zu sehen, ob sie die Waffe vielleicht hatte fallen lassen. Nichts.
    Entweder ihr Partner hatte sie, oder sie hatte eine Schusswaffe in der Jacke. Ich zögerte, hätte gern nachgesehen, hatte aber Angst, sie könnte aufwachen. Ein letzter Blick, dann hob ich hastig die Taschenlampe vom Boden auf und rannte los.

[home]
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    I ch war mir sicher, dass ich in die Richtung ging, in die Derek mich geschickt hatte – alle Sicherheitsteams hätten also irgendwo hinter mir

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