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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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weg sind. Aber dann hat er das Blut gerochen …«
    Tante Laurens Hand schloss sich fester um meine Schulter, als stellte sie sich vor, dass ich Sekunden davon entfernt gewesen war, verschlungen zu werden.
    »Also hat er mir geholfen«, fuhr ich fort. »Er hat den Schnitt verbunden. Aber er hat auch gesagt, es wäre ernst und müsste genäht werden. Und dann hat er Simon gerochen. Deswegen sind wir wieder raus – wegen meinem Arm und Simon –, aber bevor wir weitergerannt sind, hat er noch gesagt, die Stelle wäre ein gutes Versteck, und wir sollten sie uns merken.«
    »Hast du aber nicht«, sagte Tori. »Gute Arbeit.«
    »Es war dunkel, und ich hatte die Orientierung verloren. Ich habe gedacht, er meinte damit, dass
er
sie sich merken würde …«
    »Wir verstehen schon, Chloe«, beschwichtigte Dr. Davidoff. »Und du hast recht. Das hört sich entschieden aussichtsreicher an als deine anderen Ideen. Was nun allerdings die Frage angeht, ob du die Stelle erkennst, wenn du sie siehst …«
    »Wir haben mein T-Shirt zerreißen müssen, um meinen Arm zu verbinden. Der Rest müsste eigentlich noch hier rumliegen.«
    »Gut, in Ordnung. Chloe, du gehst mit Missis Enright …«
    Tante Laurens Hände fassten nach meinen Schultern. »Ich nehme Chloe mit.«
    »Nein, Sie nehmen Victoria mit.«
    »Aber …«
    Toris Mutter unterbrach: »Beherrschen Sie die Verschwimmformel, Lauren?«
    »Nein, aber …«
    »Haben Sie überhaupt irgendwelche Kräfte?«
    Tante Laurens Griff um meine Schultern wurde noch fester. »Jawohl, Diane. Die der Medizin, was auch bedeutet, dass ich als Erste an Ort und Stelle sein sollte, wenn wir Simon finden …«
    »Sie werden ganz in der Nähe sein«, sagte Dr. Davidoff. »Es ist unabdingbar, dass Chloe einen Begleiter hat, aber wir sollten die Jungs diesen Begleiter nicht
sehen
lassen, und das kann nur Diane bewerkstelligen.«

[home]
11
    E ine Verschwimmformel stellte sich als etwas heraus, das man manchmal in Science-Fiction-Filmen zu sehen bekommt, wenn der Bösewicht beinahe unsichtbar wird, weil er hinter einer Art magischem Kraftfeld steht. Im Film ist es ein einfach herzustellender Effekt. Im Alltag ist es offenbar genauso einfach, jedenfalls wenn man eine Hexe ist.
    Ich konnte Toris Mutter kaum sehen, obwohl sie unmittelbar neben mir ging. Ich brauchte also gar nicht erst zu versuchen, einfach loszurennen, sondern spielte meine Rolle und suchte nach unserem Treffpunkt. Das lieferte mir immerhin eine Möglichkeit, nach Fluchtmöglichkeiten Ausschau zu halten. Vielleicht ein Loch in einer Mauer, das zu klein war, als dass Toris Mutter mir folgen konnte, oder ein wackeliger Kistenstapel, den ich umstoßen konnte, oder ein vergessener Hammer, den ich ihr über den Schädel schlagen konnte? Ich hatte noch nie jemandem etwas über den Schädel gezogen, aber bei Toris Mutter war ich bereit, es auf einen Versuch ankommen zu lassen.
    Von der Straße aus sah die Anlage aus wie ein normaler Industriekomplex mit ein paar Nebengebäuden. Aber wenn man das Grundstück einmal betreten hatte, wimmelte es von Gebäuden, von denen viele nicht einmal in Gebrauch waren. Erstklassiges Bauland. Das wäre es jedenfalls gewesen, wenn die qualmende Fabrik selbst nicht die ganze Gegend ruiniert hätte.
    Die Schornsteine waren der einzige Hinweis darauf, dass die Anlage überhaupt in Betrieb war. Wahrscheinlich arbeitete sie weit unterhalb ihrer Kapazitäten, hielt sich gerade noch über Wasser – etwas, das für einen Großteil der Industrie in Buffalo galt. Ich hatte keine Ahnung, was man hier herstellte. Irgendwelche Metallwerkstücke, nach dem Zeug in den Lagerhäusern zu urteilen. Ein einziges Mal mussten wir uns hinter ein paar Tonnen ducken, als ein Lastwagen über das Gelände fuhr, aber der Fahrer war der einzige Mensch, den wir sahen.
    Das dritte Gebäude, das wir uns ansahen, war nicht abgeschlossen. Toris Mutter musste also nicht einmal eine Formel sprechen, um die Tür zu öffnen. Als wir eintraten, dachte ich: Das sieht vielversprechend aus. Die beiden letzten Lagerhäuser waren voller Geräte und metallener Rollen gewesen. Dieses hier schien kaum gebraucht zu werden, es lagen nur ein paar Kisten herum. Sie waren zwar nicht zu wackeligen Türmen aufgestapelt, aber immerhin hatten wir jetzt ein ganzes Lagerhaus zu durchsuchen.
    Als wir weiter ins Innere vorstießen, sah ich doch noch einen Stapel, der mir etwas instabil aussah. In der Nähe lag ein Haufen kleinerer Metallrohre – genau die

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