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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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echt«, sagte ich, als ich zum Ende kam. »Na ja, doch, war es – irgendwann mal. Aber was ich gesehen habe, war so eine Art Geister-Replay.«
    »Und das hast du dir die ganze Nacht ansehen müssen?«
    »Nein, es ist«, ich wedelte mit der Hand über die Schulter hinweg, »dahinten. Ich hab nicht hingesehen.«
    »Warum hast du mich nicht geweckt?«
    »Du warst müde, ich wollte dich deswegen nicht stören.«
    »Mich stören? Das ist die albernste …« Er unterbrach sich. »Falscher Ausdruck. Stur, nicht albern … und dich jetzt anzubrüllen würde nicht helfen, stimmt’s?«
    »Nicht wirklich.«
    »Nächstes Mal weckst du mich, okay? Ich erwarte nicht, dass du so was einfach allein durchstehst, und es beeindruckt mich überhaupt nicht, dass du’s getan hast.«
    »Ja, Sir.«
    »Und wenn noch mal so was passiert und du wieder nichts sagst, dann
werde
ich dich anbrüllen.«
    »Ja, Sir.«
    »Ich bin nicht dein Drill Instructor, Chloe. Ich will doch nicht dauernd hinter dir her sein.«
    Diesen Satz würde ich gar nicht erst versuchen zu beantworten.
    »Ich will hier nicht …« Er seufzte, schüttelte den Kopf und stand auf. »Gib mir einen Moment Zeit zum Anziehen, dann gehen wir zurück zum Rasthof, wärmen uns auf, frühstücken.«
    Er sammelte seine Kleider zusammen und verschwand im Gebüsch, während er weiterredete. »Der große Busbahnhof ist in der Stadt, ich hoffe, wir haben genug Geld, um ein Taxi nach Albany zu nehmen. Sobald wir im Rasthof sind, rufen wir an, lassen uns die Buspreise und Abfahrtszeiten geben, dann wissen wir, wie viel uns noch bleibt.«
    »Ich habe«, ich zog die Scheine aus der Tasche, »achtzig Dollar. Der Rest ist leider in meinem Rucksack, ich fühle mich nicht wohl, wenn ich das alles mit mir rumtrage.«
    »Meins ist auch größtenteils im Rucksack, und den habe ich im Bus liegenlassen.« Er fluchte leise.
    »Du warst gestern Abend wirklich nicht in der Verfassung, an so was zu denken. Ich hätte meinen mitnehmen sollen.«
    »Aber
du
hast dir
meinetwegen
Sorgen gemacht. Egal, es wird reichen. Ich hab ungefähr hundert …«
    Eine Pause. Dann das Geräusch von Händen, die Stoff abklopften, als überprüfte er seine Taschen.
    Weitere Flüche. »Es muss rausgefallen sein. Wo hast du meine Jeans gefunden?«
    »Da, wo du sie liegengelassen hast, zusammengelegt unter dem Baum. Ich hab erst in den Taschen nachgesehen, es war bloß das Papier von einem Energieriegel drin.«
    »Aber ich bin sicher, dass ich …« Er unterbrach sich und fluchte noch einmal. »Mist, ich hab das Geld in die Jacke getan, und die ist im Bus.«
    »Achtzig Dollar müssten immer noch für den Bus nach New York und das Frühstück reichen. Wir können bis zur ersten Haltestelle in Albany laufen und von dort aus einen städtischen Bus zum Busbahnhof nehmen.«
    Er kam aus den Büschen herausgestiefelt, während er »Dumm, dumm, dumm« vor sich hin murmelte.
    »Wie gesagt, du hattest anderes im Kopf. Wir beide. Und keiner von uns ist schon dran gewöhnt, Flüchtling zu spielen. Wir werden’s lernen. Gehen wir rein, mir ist wirklich kalt.«

[home]
30
    W ährend Derek in der Herrentoilette war, rief ich beim Busbahnhof an und ließ mir die Fahrpreise und Abfahrtszeiten durchgeben. Der Mann dort sagte mir netterweise sogar, welche städtischen Busse wir nehmen mussten, um hinzukommen.
    Als Derek zurückkam, war sein Sweatshirt feucht und sauber, und sein Haar war nass und glänzte – als hätte er das Sweatshirt gesäubert und sich über dem Becken die Haare gewaschen.
    »Erst die gute oder erst die schlechte …« Ich unterbrach mich. »Blöde Frage. Erst die schlechte Nachricht, stimmt’s?«
    »Yeah.«
    »Es sind zwei Meilen bis zur nächsten Bushaltestelle, und dann müssen wir bis zum Busbahnhof noch ein Mal umsteigen. Und die gute? Sechzig Dollar für zwei Schülerkarten nach New York, wir haben also noch genug fürs Frühstück.«
    »Und Deo.«
    Ich wollte schon sagen, dass das nicht wichtig war, aber an dem Zug um seinen Mund sah ich, dass es
ihm
wichtig war, also nickte ich und sagte: »Klar.«
    Wir kauften ein Deo und einen billigen Kamm. Und ja, wir teilten beides. Wir hatten nicht genug Geld, um bei so etwas pingelig zu sein.
    Bei dem Duft nach Speck und Eiern vom Restaurant her lief mir das Wasser im Mund zusammen, aber für ein heißes Frühstück reichte unser Geld nicht. Wir besorgten Tetrapacks mit Kakao, zwei Energieriegel und zwei Päckchen Erdnüsse und gingen wieder hinaus, um uns auf den

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