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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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bisschen. Sauer? Nein.« Ich sah zu ihm auf. »Im Ernst, bin ich nicht.«
    »Du bist ziemlich still gewesen.«
    Ich lachte. »Ich bin
normalerweise
ziemlich still. Aber die letzten vierzehn Tage waren eben nicht normal.«
    »Ich weiß schon, du redest manchmal nicht viel, aber du bist einfach …« Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab gedacht, du wärst sauer.« Er schob die Hände in die Taschen. »Und von wegen sauer sein. Du hast recht gehabt vorgestern Nacht, wegen dem, was da in der Gasse los gewesen war. Ich war wütend auf mich. Hab einfach eine Weile gebraucht, bis ich mich so weit abgeregt hatte, dass ich selbst draufgekommen bin.«
    Ich nickte.
    »Was ich gemacht habe, als wir noch hier gelebt haben, also diesen Jungen verletzt. Ich hab nicht gedacht, dass es jemals wieder passieren könnte. Ich hab mir so oft überlegt, was da schiefgegangen ist und was ich machen würde, wenn ich mal wieder in so eine Situation käme, die ganzen Strategien, die Dr. Gill mir beigebracht hat.«
    »Dr. Gill?«
    »Yeah, ich weiß. Die war mir schon unheimlich, bevor wir auch nur von der Edison Group gewusst haben. Aber sie war eine echte Therapeutin, und sie hat wirklich helfen wollen. Es war ja auch nur in ihrem Interesse, mir beizubringen, wie ich mich unter Kontrolle kriege. Also war ich mir sicher, wenn so was in der Art wieder passieren sollte, keine Frage, ich würde besser klarkommen. Und was passiert? Fast genau die gleiche Situation … und ich hab genau das Gleiche gemacht.«
    »Du hast dich noch rechtzeitig davon abgehalten, sie gegen die Wand zu schleudern.«
    »Nein,
du
hast mich abgehalten. Wenn du nicht gebrüllt hättest, hätte ich’s getan. Die ganzen Strategien. Die ganzen Übungsläufe in Gedanken. Und als es dann passiert ist, hab ich keinen Moment lang überlegt, irgendwas anders zu machen. Hab’s gar nicht gekonnt. Mein Hirn hat einfach abgeschaltet.«
    »Hat aber nicht viel gebraucht, dass du es wieder eingeschaltet hast.«
    Er zuckte wieder mit den Schultern.
    »Das ist doch ein Fortschritt, oder?«
    »Wahrscheinlich«, sagte er, aber er hörte sich nicht sonderlich überzeugt an.
     
    Wir hatten vor, uns auf dem Rasthof als blinde Passagiere in einem Laster zu verstecken. Also saßen wir im Restaurant über unserer Cola, während Derek auf die Unterhaltungen ringsum lauschte und Trucker identifizierte, die in unsere Richtung fuhren.
    Der erste Laster, bei dem wir es probierten, parkte ganz vorn, was es uns unmöglich machte, ungesehen an Bord zu schleichen. Beim zweiten Versuch hatte der Anhänger ein riesiges Vorhängeschloss, das Derek nicht aufbrechen konnte. Beim dritten Mal hatten wir mehr Glück.
    Wir waren dem Fahrer zu seinem Auto gefolgt, das sich als ein Kastenwagen herausstellte. Nachdem er in die Fahrerkabine gestiegen war, schlichen wir hinten in den Laderaum.
    Der Mann musste eine Art Konstruktionsbetrieb haben. Sein Laster roch nach Sägespänen und Öl und war voller Werkzeug, Seile, Leitern und Planen. Als er den Highway erreicht hatte und der Fahrtlärm laut genug war, um unsere Stimmen zu übertönen, nahm Derek die Planen und machte ein Bett auf dem Fußboden.
    »Du musst schlafen«, sagte er. »Die stinken, aber …«
    »Sie sind weicher als Pappe. Danke.«
    Er gab mir einen halben Energieriegel, den er aufgehoben haben musste.
    »Nein, behalt den«, sagte ich.
    »Du schläfst besser, wenn dein Magen nicht knurrt. Und sag jetzt nicht, dass er’s nicht tut. Ich höre ihn.«
    Ich nahm den Riegel.
    »Und das hier nimmst du auch.« Er zog das Sweatshirt aus. »Riecht vielleicht auch nicht so toll, aber es ist warm.«
    »Das brauchst …«
    »Tu ich nicht. Ich hab immer noch ein bisschen Fieber von letzter Nacht.«
    Ich nahm das Sweatshirt. »Es ist okay, Derek, ich bin nicht sauer.«
    »Ich weiß.«
    Ich legte mich auf die Planenmatratze und zog das Sweatshirt über mich wie eine Decke. Dann aß ich den Rest des Energieriegels.
    Als ich fertig war, sagte Derek: »Du kannst nicht mit offenen Augen schlafen, Chloe.«
    »Ich will aber nicht einschlafen. Was, wenn irgendwas passiert?«
    »Ich bin ja hier. Schlaf einfach.«
    Ich schloss die Augen.
     
    Ich wachte auf, als der Laster langsamer wurde. Derek stand an der hinteren Tür und öffnete sie einen Spalt weit, um ins Freie zu spähen.
    »Müssen wir hier raus?«, fragte ich.
    »Wir müssten weit genug gekommen sein. Aber wir sind nicht in einer Stadt. Es ist wieder ein Rasthof.«
    »Pinkelpause nach dem Riesenkaffee, den er

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