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Seelennoete

Seelennoete

Titel: Seelennoete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner
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den Oberarmen.
    „Ruhig, Sam. Ich weiß, das erinnert dich an ein paar unangenehme Dinge. Ich bin untröstlich, dass ich damals den falschen Weg gegangen bin und so grob zu dir war. Jetzt, wo wir Freunde sind, brauchst du dich nicht mehr davor zu fürchten.“ Er schob Sam vorsichtig zu der Liege.
    „Na komm, wolltest du mir nicht deine Freundschaft zeigen und all den armen Kindern helfen?“
    Sam schluckte.
    „Ja, das wollte ich. Aber jetzt hab ich doch Angst.“
    „Weißt du was? Wir machen erst wieder eine Entspannungsübung und dann kannst du dich entscheiden, ob du das überhaupt möchtest. In Ordnung? Wenn nicht, lassen wir es einfach. Du weißt ja, dass ich dich nicht mehr zwinge.“
    Abernathy half Sam auf die Liege.
    „So … entspanne dich jetzt. Atme ganz ruhig.“ Er berührte Sams Stirn und sprach beruhigend auf ihn ein. Anfangs schien Sam noch ängstlich zu sein, aber dann entspannte er sich tatsächlich. Abernathy ließ sich Zeit. Als er ganz sicher war, dass er Sam in Trance versetzt hatte, begann er mit seiner Arbeit.
    Er arbeitete zügig, machte Fotos, nahm Sam fast 500 Milliliter Blut ab und notierte alles auf einem kleinen Block, während bei Sams Körper die Rückverwandlung einsetzte. In Hypnose hatte er nicht die Kontrolle, seine Beine zu erhalten. Gleichzeitig dachte Abernathy fieberhaft über seine nächsten Schritte nach. Sam musste bei ihm bleiben wollen und er zweifelte, ob er wirklich schon so weit war. Der Junge schien seine Nähe zu suchen und zeigte Anzeichen für ein wachsendes Vertrauen, aber ob das ausreichte?
    Sein Partner wurde ungeduldig, aber er wollte Sam nicht überstürzt von hier wegbringen. Sam wurde sehr schnell depressiv und hatte Liebeskummer. Abernathy dachte darüber nach und gestand sich einen Denkfehler ein. Sein persönlicher Kontakt zu dem Jungen beschränkte sich auf die Zeit der Entführung und Gefangenschaft. Logisch, dass er, damals wie heute, keine Freude zeigen konnte. Sams wahres Wesen kannte er noch gar nicht. Klar war nur, dass Sam nicht wie ein menschlicher Teenager reagierte. Trotz schien ihm unbekannt zu sein. Er war offen für neue Situationen, was Abernathy hoffen ließ.
    Wenigstens hatte er jetzt ein paar vorzeigbare Proben; Kopfhaare, Blut und eine winzige Gewebeprobe. Er hoffte, dass Sam die kleine Wunde an seinem Fischkörper nicht bemerken würde. Er betrachtete Sam, der tief entspannt und mit geschlossenen Augen da lag.
     „Du vertraust mir wirklich, kleiner Fischjunge“, flüsterte Abernathy und war überrascht, als er in sich eine kurze Welle der Zuneigung für Sam spürte. Er strich ihm über den Kopf, fühlte die merkwürdige, Wasser abweisende Struktur seiner Haare. Es war wirklich zu dumm. Warum hatte er Sam nicht bei ihrer ersten Begegnung so behandelt? Vielleicht hätte er ganz einfach einen Zugang zu ihm gefunden. Sam lechzte nach Zuneigung und interessierte sich für all die Dinge, die Menschen so taten. Er hätte Sam ein unwiderstehliches Menschenuniversum anbieten können.
    Leider war es für Reue zu spät. Er würde jetzt das Beste daraus machen. Sam sirrte leise. Abernathy legte ihm seine Hand einige Sekunden lang auf die Stirn und spürte, wie Sam unter der Berührung sofort ruhig wurde. Abernathy musste lächeln. Es war ein unbekanntes Gefühl, dass ihm jemand Vertrauen schenkte. Aber es gefiel ihm. Bei seinen Schülern war er früher nicht übermäßig beliebt gewesen. Er galt als strenger Lehrer und hatte keine Geduld mit faulen Schülern, die nicht einen Hauch von Ehrgeiz besaßen. Bill war einer der wenigen Lichtblicke in seinen Kursen gewesen und Bills Verrat hatte Abernathy enttäuscht, schwer enttäuscht sogar. Die wenigen Tage, in denen er mit Bill zusammen Sam gefangen gehalten hatte, waren ihm positiv in Erinnerung geblieben. Bill und er hatten an einem Strang gezogen, fast wie Vater und Sohn, bis zu dem Tag, an dem Bill seine Meinung geändert hatte. Seine Liebe zu der Cunnings-Tochter hatte alles kaputt gemacht. Das ganze Jahr danach war Abernathy Bill auf den Fersen geblieben, hatte ihm nachspioniert und Informationen gesammelt, um im entscheidenden Moment mehrere Schritte voraus zu sein.
    Dass er Bills kleine Freundin entführt hatte, war ein Geniestreich. Und eine Retourkutsche. Bill sollte ruhig wissen, wie sich ein Verlust anfühlte. Und wenn er ganz ehrlich war, hätte er gar keinen Sohn wie Bill haben wollen. Sein Sohn wäre anders gewesen, nicht so spöttisch, mehr interessiert, ein Tüftler, ein

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