Seelennoete
der Zelle auf dem Boden und Abernathy griff danach. Er hob die Augenbrauen und sah hinüber zu Laine, die schluchzend auf dem Sofa lag.
„Was hast du denn plötzlich, mein Kind?“
Laine hob den Kopf. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. „Ich … will … zu meinem Dad!“, weinte Laine.
„Aber, aber Kindchen … du solltest Haltung bewahren. Findest du deinen Verhalten momentan nicht etwas jämmerlich im Vergleich zu deiner sonst etwas äh ... impertinenten Art?“
„Geh … weg!“, schluchzte Laine und es klang, als würde sie sich an ihren eigenen Tränen verschlucken.
„Wie Ihr wünscht, Hoheit“, sagte Abernathy und steckte das Diktiergerät ein.
Laine stand vom Sofa auf und schleppte sich weinend ins Bad. Kaum war sie allein, drehte sie den Wasserhahn weit auf und wusch sich gründlich das Gesicht. Dieses Duschgel brannte wie Feuer in den Augen.
Das Handy auf Bills Küchentisch vibrierte.
„Das ist meins! Vielleicht Abernathy!“, rief Bill. Er griff nach dem Handy und George schaltete ein kleines Aufnahmegerät ein. Bill stellte auf Lautsprecher.
„Hallo?“
„Hier spricht dein lieber Freund. Bitte hör jetzt gut zu, Bill. Es folgt eine Nachricht deiner Freundin an dich. Die Nachricht wird nicht wiederholt.“
Dann hörte man Laines Stimme.
„Hey Schatz, ich bin’s. Mir geht’s gut, mach dir keine Sorgen. Ich wollte dir nur sagen, dass du auf keinen Fall die Polizei einschalten darfst. Du weißt schon, wegen Sam. Ich habe alles, was ich brauche und werde später freigelassen. Du darfst nicht zulassen, dass sie Sam finden. Und lass dir eine Ausrede für meinen Dad einfallen. Du kennst ihn. Er holt die Polizei. Und dann ist es aus mit Sam. Ich verlass mich auf dich, Bill. Also, keine Polizei. Auf keinen Fall. Ich liebe dich.“
Die Nachricht wurde von zahlreichen heftigen Schluchzern unterbrochen und klang deshalb sehr holprig und ein wenig durcheinander. George spielte die Nachricht nochmals vom Band ab.
„Glaubst du, er hat sie dazu gezwungen?“, fragte George.
„Spiel es noch mal ab, bitte“, bat ihn Bill. George spielte die Nachricht ein weiteres Mal vor.
„Das klingt überhaupt nicht nach Laine“, sagte Bill nachdenklich.
„Nein, sie weint nie so. Da stimmt was nicht.“
„Wir sollten es uns noch mal anhören. Es klingt auch nicht wie ein vorgefertigter Text von Abernathy“, sagte Bill. „Wenn der Text von ihr selbst ist, dann hat sie bestimmt versucht, uns unauffällig was zu sagen.“
„Und was?“, fragte George. „Ich kann da keine versteckte Nachricht raushören. Es sind keine besonderen Worte oder Insider drin.“
„Wenn das einfach wäre, dann hätte Abernathy sie auch rausgehört“, meinte Bill.
„Wir sollten sie uns wieder und wieder anhören. Vielleicht fällt uns was auf. Oder … was auch möglich wäre, und was ich fast befürchte, es gibt keine Nachricht an uns.“ Bill drückte auf den Play-Knopf.
Abernathy fuhr seinen PC hoch. Es war bereits Nacht. Sam und Laine schliefen. Ein bisschen wunderte er sich, dass das Mädchen so plötzlich eingeknickt war. Die Nachricht an Bill auf dem Diktiergerät klang ebenfalls ziemlich verheult, aber es schadete nichts, wenn Bill sich ein wenig Sorgen um seine Freundin machte. Und es war besser, sich doppelt abzusichern. Die Polizei war zwar recht beschränkt, fand Abernathy, aber manchmal landeten sie eben einen Zufallstreffer. Er wollte zu gern wissen, ob es Bill gelungen war, Laines Eltern die Entführung zu verheimlichen. Jedenfalls war noch nichts in den Nachrichten über einen Entführungsfall berichtet worden. Auf dem Bildschirm öffnete sich ein Fenster:
SIE HABEN 1 NEUE NACHRICHT.
Abernathy klickte auf den Link.
Greg,
wie weit ist das Objekt? Habe dein Bildmaterial erhalten.
Sehr interessant!
Wann kann ich mit den ersten Proben rechnen?
C.C.
Abernathy betätigte die Antwortfunktion, als er sah, dass sich jemand in seinem Privatchat aufhielt. Er öffnete ein neues Fenster und betrat den Chat. Er wurde bereits erwartet.
C: hallo Greg, wie weit bist du?
A: bin auf gutem Weg mit ihm
tippte Abernathy.
C: wie lange noch?
A: er ist bald so weit
C: warum so viel Zeit investieren? es ginge auch anders
A: ich weiß, aber ich will ihn nicht zwingen. Psyche zu labil. Leidet schnell an Depressionen und stellt bei Frustration sofort die Mitarbeit ein. Baue Beziehung auf. Geht nicht
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