Seelennoete
offen und alles dunkel. Dann weiter zur nächsten.“
Abernathy steckte die Spritze in seine Jackentasche und trat an Sams Becken. Er klopfte gegen das Glas, bis Sam sich regte. Er gab ihm ein Zeichen und zeigte Richtung Plattform. Sam richtete sich auf und Abernathy überkam kurz wieder das Gefühl der Bewunderung, als er sah, wie der junge Meermann mit elegant fließenden Bewegungen zur Oberfläche glitt. Was gäbe er darum, Sam im freien Wasser schwimmen zu sehen. Er stieg die Stufen hinauf. Sam hielt sich mit den Händen an der Plattform fest und sah ihm erwartungsvoll entgegen.
Der arme kleine Kerl wird nie wieder frei schwimmen … und weiß es nicht mal, dachte Abernathy. Schon wieder. Er musste endlich aufhören, Gefühle für Sam zu sich durchzulassen und sich professionell verhalten.
Er zwang sich zu einem Lächeln, das hoffentlich unbeschwert wirkte. „Hast du dich etwas erholt?“
„Ja, es geht wieder. Du weißt ja, wie müde mich die Umwandlungen machen. Schön, dass du mich besuchst.“ Sam lächelte Abernathy an. Es war nur ein kleines Lächeln und sehr kurz, aber Abernathy zuckte innerlich zusammen. Er wunderte sich über seine eigene Reaktion, bis ihm aufging, dass er Sam bisher noch nie hatte lächeln sehen. In seiner Gegenwart war Sam immer traurig oder ängstlich gewesen. Und jetzt?
Abernathy ließ sich auf die Knie nieder, um in Sams Reichweite zu kommen.
„Ich muss etwas mit dir besprechen. Es sind viele Dinge geschehen und leider muss ich etwas überstürzt abreisen. Und jetzt hab ich eine Frage an dich.“
„Du möchtest, dass ich mit dir komme“, sagte Sam.
Abernathy sah ihn überrascht an.
„Ja. Würdest du das denn?“
Sam senkte den Kopf und dachte nach. Abernathy ließ seine Hand in die Tasche gleiten und tastete nach der Spritze. Wenn Sam nein sagte, musste es ganz schnell gehen. Sam seufzte und Abernathy setzte den Daumen an die Schutzkappe. Er konnte den Jungen am Arm packen und das Mittel schnell in den Hals injizieren. Abernathy hoffte, dass das nicht nötig war. Nicht, weil er wirkliche Skrupel hatte, Sam wieder zu betäuben, aber seine ganze Vorarbeit und die vertrauensbildenden Maßnahmen waren dann erst mal zum Teufel. Er lächelte verständnisvoll und versuchte, ein wenig Wehmut in seinen Blick zu legen.
„Was machst du denn mit Laine?“, fragte Sam.
„Sie ist schon im Wagen. Es geht ihr gut. Wir setzen sie unterwegs aus und rufen Bill an, damit er sie holt.“
„Ich könnte es im Moment nicht ertragen, wieder mit den beiden zusammen zu sein. Wenn ich wieder zurück möchte … bringst du mich dann ins Meer? Wir sind doch jetzt Freunde.“
„Natürlich“, log Abernathy.
Sam sah zu ihm auf.
„Ich komme mit dir.“
„Wie viele noch?“, fragte Bill, als er in die nächste Straße einbog. Der Morgen graute bereits und Bill hatte die Scheinwerfer ausgeschaltet, um weniger aufzufallen.
„Ich habe noch drei Mögliche, danach müssten wir von vorne anfangen“, sagte George.
„Da! Da ist einer!“, rief Bill plötzlich. Georges Kopf flog hoch. In gut zweihundert Metern Entfernung rollte ein großer Wagen aus einer Einfahrt auf die Straße.
„Was hat der da dran? Nen Anhänger?“, fragte Bill.
„Häng dich dran. Aber vorsichtig!“
„Klar.“ Bill gab vorsichtig Gas und folgte dem Wagen mit ausreichendem Abstand.
„Fragt sich nur, was er da transportiert … oder wen“, sagte George.
Abernathy lenkte den Wagen Richtung Küste. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass Sam ihn aus freien Stücken begleitete. Natürlich konnten auch die Suggestionen der Hypnose noch nachwirken. Das war sogar sehr wahrscheinlich. Vermutlich eine Mischung aus Einsamkeit, Naivität und seiner seelischen Manipulation … es spielte auch im Moment keine große Rolle. Schwierig würde es werden, wenn er mit Sam im Institut ankam. Abernathy war sich sicher, dass C.C. diese Bezeichnung bei Stephen King geklaut hatte. Wenn dem so war, dann hatte er selbst wohl die Rolle des alten, putzenden Indianers inne, der das Feuerkind an sich gewöhnt.
Wasserkind, korrigierte er sich selbst. C.C.s Rolle bei dem Ganzen würde sich noch herauskristallisieren. Sein Investor würde jedenfalls weniger Geduld mit Sam haben. Abernathy hatte vor, die Scharade so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und so war es auch mit den Leuten des Instituts abgesprochen. Er würde Sams besten Freund weiter spielen und ihn dazu bewegen, an diversen – für C.C. lukrativen
Weitere Kostenlose Bücher