Seelenprinz
Innenstadt, entlang der Straßen, die parallel zum Fluss verliefen .
Erst dachte er, der Wind hätte gedreht, als die eisigen Böen plötzlich von hinten kamen, statt ihm ins Gesicht zu blasen. Doch dann bemerkte er, dass dieses Gefühl von innen kam. Die Schauer verliefen unter der Haut .
Seine Auserwählte war in der Nähe.
Seine Auserwählte.
Sofort gab er die Verfolgung des Schattens auf, dematerialisierte sich und strebte auf den Hudson River zu. Was hatte sie hier in der Stadt zu schaffen ?
In einem Auto. Sie saß in einem Auto.
Sie bewegte sich mit hoher Geschwindigkeit, ließ sich aber dennoch verfolgen. Das konnte nur heißen, dass sie auf dem Northway unterwegs war, mit neunzig bis hundert Stundenkilometern.
Xcor folgte ihrem Signal und bewegte sich zurück in Richtung der Lagerhallen. Es war Monate her, dass er sich von ihr genährt hatte, und voller Entsetzen bemerkte er, dass die Verbindung durch ihr Blut in seinen Adern verblasste– sodass es schwierig für ihn war, das richtige Fahrzeug zu orten.
Doch dann stach ihm eine große Limousine ins Auge, die langsamer wurde und auf die Ausfahrt zur Brücke bog. Xcor nahm auf einem der Stahlträger Gestalt an und pflanzte die Springerstiefel auf die Spitze des Pfeilers. Dann wartete er darauf, dass sie unter ihm vorbeifuhr.
Kurz darauf passierte die Limousine die Stelle und bewegte sich auf die andere Stadthälfte am gegenüberliegenden Ufer zu.
Er folgte ihr mit Sicherheitsabstand, obwohl er sich fragte, wem er etwas vormachen wollte. Wenn er seine Auserwählte spüren konnte…
…dann erging es ihr sicherlich genauso.
Aber er würde nicht von ihrer Spur ablassen.
Qhuinn saß auf dem Beifahrersitz des Mercedes und hielt diskret eine Fünfundvierziger Heckler & Koch an den Oberschenkel gedrückt, während seine Augen unablässig vom Rückspiegel zum Seitenfenster und zur Windschutzscheibe huschten. Neben ihm umklammerte Phury das Lenkrad so energisch, als würde er jemanden erwürgen wollen.
Mann, im Moment wurde einfach alles zu viel.
Layla und das Kind. Der Vorfall mit der Cessna. Was er letzte Nacht seinem Cousin angetan hatte. Und dann… tja, dann war da noch… die Sache mit Blay.
Oh, gütige Jungfrau , die Sache mit Blay.
Als Phury zur Brücke abbog, wanderten Qhuinns Gedanken von Layla zu allen möglichen Bildern, Geräuschen und Geschmäckern der Tagstunden.
Sein Verstand sagte ihm, dass es kein Traum gewesen war, und sein Körper erinnerte sich an jedes Detail, als hätte sich der Sex in seine Haut eingebrannt und sein Aussehen für immer verändert. Doch als er sich nun dem neusten verdammten Drama zuwandte, erschien ihm das allzu kurze Glück beinahe prähistorisch und nicht wie ein Ereignis, das nicht einmal eine Nacht zurücklag.
Er fürchtete, dass es eine einmalige Sache bleiben würde.
Fass mich nicht an. Nicht so.
Stöhnend rieb er sich den Kopf.
» Es ist nicht wegen deiner Augen«, meinte Phury.
» Wie bitte?«
Phury warf einen Blick nach hinten. » Alles klar bei euch?«, fragte er die Frauen auf der Rückbank. Als Layla und Doc Jane dies bestätigten, nickte er. » Hört zu, ich schließe kurz die Trennwand, okay? Es ist alles in Ordnung.«
Der Bruder wartete nicht auf eine Antwort, und Qhuinn versteifte sich, als die undurchsichtige Scheibe hochfuhr und die Limousine in zwei Hälften teilte. Er würde sich der Konfrontation stellen, doch das hieß nicht, dass er sich auf die zweite Runde mit Phury freute– und wenn der Primal die beiden auf der Rückbank ausschloss, konnte das nur heißen, dass es unschön werden würde.
» Deine Augen sind nicht das Problem«, sagte der Bruder.
» Wie bitte?«
Phury sah ihn an. » Dass ich angepisst bin, hat nichts mit irgendeinem Makel zu tun. Layla liebt dich…«
» Nein, das tut sie nicht.«
» Siehst du, jetzt nervst du mich wirklich.«
» Frag sie.«
» Während sie dein Kind verliert?«, blaffte Phury. » Ganz bestimmt.«
Als Qhuinn das Gesicht verzog, fuhr Phury fort. » Sieh mal, das Problem mit dir ist folgendes: Du lebst extrem, du magst es wild– und mal im Ernst, ich glaube, das hilft dir, den ganzen Scheiß mit deiner Familie zu verarbeiten. Solange du gegen alles rebellierst, kann dich nichts verletzen. Und ob du es nun glaubst oder nicht, das ist okay für mich. Du machst dein Ding und kommst auf deine Weise über die Runden. Aber sobald du das Herz einer Unschuldigen brichst, die auch noch unter meiner Obhut steht, haben wir beide ein ernsthaftes
Weitere Kostenlose Bücher