Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
Selbstverständlichkeit mehr. Ihre Hände strichen wie prüfend über Bauch und Po. Knackig war vielleicht nicht das richtige Wort, aber der Bauch war flach und der Po wenigstens fest. Ergebnis eiserner Disziplin beim Essen und konsequenten Trainings im Fitness-Studio.
Fröstelnd zog sie die Schultern hoch. Sie würde eine Jacke brauchen. »Ja klar«, lachte sie vor sich hin, »es ist August, knapp dreißig Grad und Frau Meister hat eiskalte Füße und braucht warme Socken und eine Jacke! Wie in jedem Jahr!« Schwungvoll drehte sie sich um und lief leichtfüßig die Treppe hoch um sie zu holen.
»Essen!«, rief sie noch einmal laut durchs Haus.
Nichts rührte sich.
Auch gut, dann eben nicht. Wenn Lara lieber in ihrem Zimmer vor sich hin trauern wollte, sollte sie es tun. Ihr Mann würde ohnehin erst spät nach Hause kommen. Wie immer. Immer öfter in letzter Zeit jedenfalls.
Sie kehrte auf die Terrasse zurück. Der Weißwein in ihrem Glas funkelte und leise Musik aus der Küche sorgte für behagliche Stimmung.
Oder hätte es zumindest tun können.
Mit vor Wut zitternden Fingern belegte sie ihre Knäckebrotscheibe mit würzigem Käse. Immer sorgte sie dafür, dass es kalt und frostig in diesem Haus zuging! Lara konnte einem aber auch wirklich alles vermiesen. Ihre Stimmung war entscheidend für den Verlauf des ganzen Tages. Manchmal war Lara schon vor dem Frühstück patzig und giftete in der Küche herum. Oft genug lauschte Frau Meister auf die Schritte ihrer Tochter auf dem Weg zum Bad um den ›Schlechtelaunepegel‹ zu bemessen. Es wäre schon schlimm genug gewesen, hätte sich Lara nur ihren eigenen Tag mit übler Stimmung verpestet. Aber sie verdarb auch ihrer Mutter die gute Laune und die schlechte Stimmung lag dann nicht selten wie eine hartnäckige Wolke über dem ganzen Haus, bis sich alle zum Schlafen zurückzogen. Am nächsten Morgen begann es dann wieder von vorn. Frau Meister seufzte. Bestimmt würde das jetzt auch wieder besser, die Familie würde wieder zusammenwachsen, Ruhe würde einkehren – jetzt, wo dieser schreckliche Störenfried tot war. Ermordet worden war! Endlich!
Sie atmete ein paar Mal tief durch. Die Musik aus der Küche fing sie ein und sie summte einige Takte mit. Dann biss sie herzhaft in das knusprige Brot, das in alle Richtungen Splitter warf. Als sie einigen von ihnen nachsah, fiel ihr Blick auf die Kerze, die zart flackerte, und Frau Meister träumte sich in eine andere Welt.
13
»Ey – hat deine Ratte auch einen Namen?«
»Klar. Lucifer. Und ich hab die selbst abgerichtet – die beißt jeden, der seinen Finger nach ihr ausstreckt. Das kannst du glauben!«, antwortete Marlin stolz und ließ die gescheckte Ratte seinen Ärmel hinauflaufen. Das Tier kuschelte sich bereitwillig unter den schmutzigen Jackenkragen.
Michael Wiener zeigte sich gebührend beeindruckt.
»Meinst du sie würde mich auch beißen?«
»Klar, Alter. Bullen beißt sie gleich den ganzen Finger ab. Da kennt sie nix.« Marlin grinste fies und zeigte Zähne, die so gelb wie die einer Bisamratte waren.
Unbeeindruckt von der Warnung streckte Michael Wiener den rechten Zeigefinger aus, um der Ratte über die Nase zu streichen.
»Ts, ts , ts – das würd ich dir echt nich raten, Alter.«
»Was gibst du ihr denn zu fressen?« Zutraulich rieb das Tier seine Nase an der Polizistenhand. Marlin zog einen Flunsch, hielt sich aber mit weiteren Kommentaren über die Gefährlichkeit des Nagers zurück.
»Neugierig bist du auch noch. Arbeitest wohl in deiner Bullenfreizeit für den Tierschutz, was?«
»Nein. Ich finde, Ratten sind unglaublich spannende Tiere. Also, was gibst du ihr?«
»So dies und das. Was ich selber so esse. Und manchmal kriegt sie auch Samenkörner, die ich im Park finde.«
»Und – nimmst du deine Ratte überallhin mit?«
»Klar, Alter. Wo sollte ich sie denn sonst lassen? Ich wohne im Park und Lucifer in meiner Parkatasche.«
Lucifer, die teuflische Ratte. Da brauchte wohl jemand einen mächtigen, starken Beschützer.
»Dann war Lucifer auch mit auf der Party bei Friederike.«
»Klar.« Misstrauen drang ihm aus allen Poren.
»Friederike ist tot, Mann! Jemand hat sie kaltblütig erstochen und wenn du nicht willst, dass ich glaube, du könntest das gewesen sein, solltest du deine Antworten ausführlicher geben!«
Erschrocken sah Marlin den Ermittler an und rieb unwillkürlich sein Kinn zärtlich an Lucifers Kopf.
»Aber ich hab doch damit gar nichts zu tun! Als ihr heute
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