Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
unzuverlässig. Aber Jacob Hensel war mit ihr befreundet. Er arbeitet als Azubi in der Werkstatt. Mit ihm werd ich mich morgen in seiner Freizeit treffe. Er wollt partout nicht in der Werkstatt mit mir rede.«
»Vielleicht hat sie ihm erzählt, ob jemand sie bedroht oder verfolgt hat. Gut. Ich habe mit der Mutter gesprochen. Friederike war schwierig, hatte jede Menge Ärger mit ihren Lehrern, mit der Polizei und auch das Jugendamt hat sich regelmäßig bei der Familie eingefunden. Ich glaube, der Stiefvater ist nicht sehr traurig darüber, dass sie nun den Familienfrieden nicht mehr stören kann.«
»Traust du ihm den Mord zu?«
»Ich weiß nicht. Eher nicht.« Nachtigall schüttelte langsam den Kopf. »Nicht deswegen. Er ist cholerisch, ja – aber nur um der Ruhe willen, das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Aber der Nachbar, mit dem ich über den Zaun geplauscht habe, der meinte, es habe oft Ärger wegen Friederike gegeben und der Stiefvater hätte es sicher nicht bedauert, wenn sie auf Nimmerwiedersehen aus dem Leben der Weinreichs verschwunden wäre.«
»Gut.« Nachtigall erhob sich und schrieb auf einen Pappstreifen den Namen Tobias Weinreich und pinnte ihn am Bord fest. Dann notierte er die Namen der Jugendlichen, mit denen sie schon gesprochen hatten, und hängte sie daneben. Am Rand des Bords befestigte er die Fotos vom Tatort und eine Großaufnahme der Tatwaffe.
»Albrecht, wir brauchen alles an Material über das Opfer. Wenn sie so oft mit der Polizei Kontakt hatte, wird es wohl auch eine stattliche Menge an Informationen geben.«
Skorubski grunzte zustimmend.
»Michael, du hältst die Kontakte zu Marlin Storz und Jacob Hensel. Außerdem müssen wir klären, ob das Messer zu Friederikes Küchenwerkzeugen gehörte oder vom Täter mitgebracht und zurückgelassen wurde. Die Mutter meinte, es gehöre nicht zu Friederikes Messern, sie sei mehr für robustes Werkzeug gewesen. Aber vielleicht wusste sie es nur nicht, könnte auch ein Geschenk ihres Vaters sein.«
Er sah nachdenklich die Streifen an der Pinnwand an.
»Dr. Pankratz meint, die Tat sei sehr präzise ausgeführt worden. Ein Täter unter Drogeneinfluss wäre dazu nicht in der Lage gewesen. Der Täter ging eiskalt berechnend vor – von unserer hübschen Annahme, sie sei in einem hitzigen Streit getötet worden, müssen wir uns wohl verabschieden.«
»Wenn einer der Parkys sie getötet hat um sich noch einen kostenlosen Nachschub zu organisieren, warum lag dann noch so viel von dem Zeug in der Wohnung rum? Erst ersticht er sie, weil er noch Stoff will, und dann nimmt er nichts mit – das ist doch unlogisch!«, meinte Michael Wiener.
»Na ja – ein Mörder unter Drogeneinfluss handelt vielleicht nicht wirklich logisch. Möglicherweise wollte er sie nicht töten, sondern nur bedrohen. Im weiteren Verlauf ist ihm die Sache dann entglitten. Oder es waren mehrere Täter, die sich gegenseitig hochgeputscht haben, bis es zur tödlichen Eskalation kam. Ich könnte mir auch vorstellen, dass der Täter kopflos geflohen ist, als ihm bewusst wurde, was er getan hat. Dabei hat er dann schlicht vergessen das Rauschgift mitzunehmen. Aber all das gilt nur, wenn wir von einem Mörder ausgehen, der noch klar genug war die richtigen Stellen zu treffen und sie verbluten zu lassen. Etwa so: weil sie ihm nichts mehr geben wollte, flammte sein Hass auf, Wut auf die, die etwas haben und nicht mit denen teilen wollen, die nichts haben. Er sticht immer wieder zu, um sie zu nötigen ihm etwas zu geben. Er will sie nicht töten, ihr nur drohen. Als sie anfängt heftig zu bluten flieht er kopflos. Vielleicht in der Hoffnung, sie würde sich selbst helfen können.«
Es klopfte und Dr. März trat ins Büro. Er warf einen flüchtigen Blick auf die Pappstreifen und Bilder an der Pinnwand, dann wandte er sich zu Nachtigall und seinem Team um.
»Na? So spät noch fleißig? Nun, dieser Fall ist keine so harte Nuss, wie? Mord nach einer Drogenorgie. Der Täter war wohl einer der Partygäste. Fingerabdrücke und biologische Spuren ohne Ende – da ist es ja nur eine Frage der Zeit, bis der Richtige im Netz zappelt.« Nervös fuhr sich der stattliche Mann über die raspelkurzen Haare und warf dann einen freundlichen Blick über den Rand seiner Brille auf die drei Beamten.
»Wir sind nicht sicher, ob die Lösung so einfach ist. Viele Indizien sprechen gegen eine Tötung im Affekt. Auch die Ergebnisse der Obduktion lassen eher einen planvollen Tathergang vermuten«,
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