Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
sie ihn nie wieder gesehen.«
Peter Nachtigall hängte auch diesen Namen unter das Wort ›Rache‹.
Dann nahm er einen neuen Streifen zur Hand.
»Ich glaube, wir könnten auch noch ein weiteres Motiv festlegen. ›Entlastung‹. Der ein oder andere wollte sich vielleicht nur eine Bürde vom Hals schaffen.«
Er schrieb das Wort auf und sah die beiden anderen an.
»Die Mieter? Meinst du, einer von ihnen hatte es satt, dass er ihr den Dreck hinterherräumen musste und hat sie deshalb umgebracht?«, fragte Michael Wiener besorgt und ging im Geiste die Liste seiner Nachbarn durch.
»Nein, nicht wirklich. Ich dachte eher an die Weinreichs. Die Mutter hat unter ihrer Tochter gelitten, weil sie ständig für neuen Ärger gesorgt hat. Denkt nur mal an diese exorbitanten Telefonrechnungen und das ganze Theater mit Polizei und Jugendamt. Sie hat selbst gesagt, sie hätte immer das Schlimmste annehmen müssen, wenn sie ihre Tochter nicht im Blick hatte.«
»Ja, das gilt dann auch für den Stiefvater«, stellte Albrecht Skorubski fest. »Es war nicht einmal sein Kind und doch mussten er und seine beiden Töchter unter ihr leiden. Das Geld ist dabei sicher ein großes Thema gewesen, aber auch die allgemeine Stimmung in der Familie. Ich könnte mir vorstellen, dass er manchmal ganz schön wütend darüber war, wie durch die Tochter seiner Frau die ganze Atmosphäre negativ beeinflusst wurde.«
Nachtigall nickte.
»Der Vater selbst«, erklärte er dann. »Er wurde ständig in irgendwelche Streitigkeiten hineingezogen, die mit ihm und seinem Leben nicht mehr viel zu tun hatten. Wenn sie ihn besuchte, führte das wohl in der Regel zu Schwierigkeiten. Zuletzt durfte sie gar nicht mehr kommen.« Er fasste das Gespräch kurz zusammen.
»Wenigstens hat sie nicht schon wieder eine Tragödie ausgelöst«, knurrte Skorubski. »Ansonsten blieb nie viel Gras übrig, wenn sie irgendwohin trat. Stellt euch nur vor, die Frau hätte das Kind verloren ...«
»Und die Jugendlichen aus dem Park? Für die brauchen wir ein anderes Motiv.«
»Ja, das ist richtig. Wenn einer von ihnen den Mord begangen hat, dann wahrscheinlich im Streit. Wie wäre es mit ›Gier‹?«
Die anderen nickten zustimmend.
Als sie nun die Namen ihrer Verdächtigen an der Tafel hängen sahen, wurde deutlich, wie viele es waren. Und dabei konnten sie noch nicht einmal sicher sein, von allen zu wissen. Möglicherweise war diese Übersicht gar nicht vollständig.
»Da bleibt noch viel zu tun«, seufzte Peter Nachtigall und warf einen raschen Blick auf die Uhr.
»Wir müssen rauskriegen, wofür sie soviel Geld ausgegeben hat. Wenn sie die Drogen, die sie nachher gedealt hat, erst selbst kaufen musste, wäre das eine Erklärung für ihren chronischen Geldmangel«, überlegte Michael Wiener laut.
»Gut. Morgen früh werden wir unsere Freunde im Park besuchen. Wir bringen ein Frühstück mit und sehen mal, was wir noch so an Informationen bekommen. Ich besorge alles. Danach werden wir uns mit der Gynäkologin unterhalten, zu der ihr Vater sie geschickt hat. Was war eigentlich mit diesen fünf Freunden?«
»Michael und ich haben uns die Liste geteilt. Und siehe da, als wir ihnen klargemacht hatten, dass es hier um Mord geht und sie im Zweifelsfall einen Mörder deckten, fiel einem nach dem anderen ein, dass er an dem Abend doch nicht bei Udo war. Am Ende stellte sich raus, alle fünf hatten den Tag einfach verwechselt«, fasste Skorubski spöttisch zusammen.
Schmunzelnd verabschiedeten sie sich in den Feierabend.
Kaum eine halbe Stunde später kam Dr. März an Nachtigalls Büro vorbei. Er klopfte kurz und öffnete die Tür. Niemand da. Er schaltete das Licht ein und betrachtete lange die Namen und Begriffe an der Wand. Dann schüttelte er missbilligend den Kopf. Der Fall war doch so klar und nun fummelte Nachtigall mit seinem Team schon seit fast einer Woche ergebnislos an der Sache rum. Herrgott, die Presse war kaum noch ruhig zu halten und besorgte Bürger wollten, dass der Park von diesem Gesindel gereinigt würde. Lange durfte die Aufklärung nun nicht mehr auf sich warten lassen, beschloss er und nahm sich vor, Peter Nachtigall gleich am nächsten Morgen ordentlich auf die Füße zu treten.
33
»Guten Abend. Ich habe einen Termin zum Gesundheitscheck.«
Die beiden jungen Damen hinter der Rezeption der Reha-Einrichtung in der Feigestraße lächelten ihn freundlich an und er entschied sich für die Blonde mit dem unglaublichen Augenaufschlag. Peter
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