Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
nach seiner Tasse und begann gedankenverloren den Milchschaum unterzurühren.
Nachdenklich sah Peter Nachtigall ihm dabei zu. Der Eventmanager trug einen modernen, hellen Anzug mit asymmetrisch gestaltetem Revers. Darunter ein weißes T-Shirt aus einem glänzenden Material. Chic, dachte Nachtigall, sehr teuer, sehr extravagant. Das würde mir eh nicht stehen, tröstete er sich, aber an dem untersetzten, relativ schlanken Mann sah es sehr gut aus.
»Meine Frau – also meine erste Frau, hat mir nur erzählt, dass Friederike ermordet in ihrer Wohnung gefunden wurde. Viel mehr weiß ich auch jetzt noch nicht, weil ihr Mann, dieser Dorftrottel, sie nicht mit mir reden lässt. Er behauptet, es ginge ihr zu schlecht«, er warf Nachtigall aus seinen grünen Augen einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Friederike wurde mit einem Messer schwer verletzt und erlag diesen Verletzungen. Nach einer Party in ihrer Wohnung. Ein anderer Mieter des Hauses hat uns am nächsten Morgen verständigt und so wurde Ihre Tochter gefunden. Ich bin der zuständige Ermittler in diesem Fall.«
»Sie ist also verblutet«, stellte der Mann tonlos fest. »Und natürlich haben Sie noch keine Ahnung, wer es gewesen sein könnte!«
»Wir haben uns zunächst mit dem Leben Ihrer Tochter befasst und alle Partygäste befragt. Leider hat Friederike vielen Menschen einen Grund gegeben sie zu hassen.«
Der Vater schwieg. Er stützte die Ellbogen auf und fuhr sich mit beiden Händen durch seine glatten, in der Mitte gescheitelten Haare.
»Sie haben die alten Fälle ausgegraben«, seufzte er dann.
»Ja. Und bei unseren Ermittlungen viele Menschen getroffen, die den Tod Ihrer Tochter nicht gerade bedauern.«
»Ja. Sie war schwierig. Ein bisschen wild. Liebte die Freiheit, wollte die Sicherheit. Liebte es ungezwungen sein zu können, vermisste dann die Familie. Innerlich zerrissen. Ging sie in die Schule, waren ihr die Lehrer mit ihrer permanenten Besserwisserei ein Dorn im Auge, schwänzte sie den Unterricht, erschienen ihr die Tage plötzlich leer und langweilig. Wohnte sie bei ihrer Mutter, ging die ihr auf die Nerven, weil sie ständig besorgt war, Fragen hatte und wollte, dass Friederike ihre Schulden bezahlte. Kaum hatte sie die eigene Wohnung, fehlte ihr dieses Behütetwerden auf einmal und sie besuchte die Weinreichs ständig. Dann wollte sie einen Hund. Mit dem war sie glücklich. Wenn sie nach Hause kam, freute er sich. Er war zutraulich und bald fand sie, er sei zu unterwürfig, ließe sich von ihr alles gefallen, habe weder Charakter noch Rückgrat.«
Er trank einen großen Schluck und leckte sich den Milchbart von der Oberlippe.
»Und wie kamen Sie mit ihr aus? Sie hat Sie doch bestimmt besucht, oder?«
»Sicher. Aber das war so, wie bei allen anderen Dingen auch: Sie wollte mich sehen, doch kaum war sie da, fühlte sie sich eingeengt und wünschte sich weit fort von mir. Ich bin wieder verheiratet. Erst war das auch für Friederike kein Problem. Sie gab vor, Rita wirklich zu mögen. Auch Dirk, Friederikes Bruder, war mit meiner Wahl mehr als zufrieden. Doch von Mal zu Mal wurde es schwieriger, wenn Friederike uns besuchte. Als ich ihr erzählte, Rita erwarte ein Kind, drehte sie komplett durch. Zwei Tage später stürzte Rita die Treppe hinunter und die Ärzte konnten nur mit Mühe das Baby retten. Rita vertraute mir an, Friederike habe sie die Treppe hinuntergestoßen. Sie wolle nicht, dass meine Tochter uns je wieder besuchen komme.«
»Haben Sie Friederike darauf angesprochen?«
»Natürlich. Doch sie bestritt alles und meinte, ich solle sehen, wie ich mit Rita und dem widerlichen Balg zurechtkäme. Rita leide an einer Schwangerschaftspsychose und habe sie noch nie gemocht.«
»Und?«
»Was und?«
»Was haben Sie geglaubt?«
Wieder entstand eine Pause.
In dem kleinen Café war es schwülwarm und Nachtigall wünschte, sie hätten draußen unter einem der großen Sonnenschirme sitzen können. Doch hier war es wesentlich privater. Er wischte sich mit einem Papiertaschentuch über die Stirn.
»Ich habe Rita geglaubt«, antwortete Herr Petzold zögernd.
»Warum?«
»Weil ich weiß, dass Friederike dieses ›in Familie sein‹ hasste. Wenn Rita dieses Kind verloren hätte, wäre aus uns, in Friederikes Augen, keine Familie geworden. Rita wäre nur Papas Anhängsel gewesen. Das hätte sie leichter ertragen können, als die Tatsache uns als Familie glücklich zu sehen.«
»Wie war denn Ihr Verhältnis zu Friederike nach diesem
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